LEITZINSEN: DIE EUROPÄISCHE ZENTRALBANK DARF DEN USA NICHT FOLGEN
: Hoffen auf das Wachstum

Der US-Zentralbankrat hat zum ersten Mal seit vier Jahren die Zinsen angehoben. Gut so, sagen die internationalen Finanzmärkte. Die Firmen weltweit haben sich längst darauf eingestellt und sich die niedrigen Zinsen durch langfristige Kredite noch für einige Jahre gesichert. Anders die US-Verbraucher: Sie haben auch umgeschuldet, aber in eine gefährliche Richtung. Ihre Zinsbelastung bleibt gleich, weil sie ihre Kreditsummen ausgeweitet haben. Für viele kann es eng werden, wenn die Raten wie erwartet weiter steigen.

Die Europäische Zentralbank sollte dem amerikanischen Beispiel nicht folgen und ihre Zinsen bei den derzeitigen zwei Prozent lassen. Denn erstens werden die US-Verbraucher weniger EU-Produkte wie etwa teure deutsche Autos kaufen, wenn sie höhere Zinsen zahlen müssen. Das wird die Konjunktur dämpfen, wenn auch nur leicht. Außerdem ist die Situation im Euroraum völlig anders als in den USA: Während die US-Wirtschaft trotz Börsencrash schon wieder mit vier Prozent pro Jahr boomt, sind es bei den Euros nur gut ein Prozent. Hierzulande liegen die Leitzinsen mit zwei Prozent etwa in Höhe der Inflation, während in den USA die Zentralbanker mit einem Prozent deutlich unter der Preissteigerung lagen.

Eigentlich müsste die EZB für manche lahmenden Länder wie Deutschland die Zinsen eher noch weiter senken – folgt man der Theorie, dass niedrige Zinsen die Wirtschaft ankurbeln. Doch erstens kann sie das nicht, weil andere Länder durchaus schon schnell genug wachsen. Und außerdem fehlt es dem Euroraum nicht an billigen Krediten. Vielmehr hat die Industrie Überkapazitäten und investiert nicht, solange andere Firmen oder die Verbraucher durch vermehrte Nachfrage diese Kapazitäten nicht auslasten. Und der in so einer Situation entscheidende Konsument kann derzeit nicht mehr ausgeben. Wer noch einen Job hat, hat Angst vor der Zukunft und spart lieber erst einmal. Aus diesem Teufelskreis können weder die Wirtschaftspolitiker noch die EZB ausbrechen. Da hilft nur abwarten und hoffen, dass das Wachstum langsam, aber stetig an Fahrt gewinnt. REINER METZGER