Brandheiße Konflikte an der Göttinger Uni

Feuer im Studentenwohnheim: Der Streit zwischen Rechten und Linken um Räume und politischen Einfluss eskaliert

GÖTTINGEN taz ■ Sonntag um halb sieben in der Frühe: In einem Göttinger Studentenwohnheim direkt am Campus brennt es im Kellergeschoss. Das Feuer trifft eine Ausstellung über den Konflikt zwischen linken und rechten Studierenden um den Allgemeinen Studierendenausschuss (Asta). Der Zwischenfall, der sich vor zwei Wochen zutrug, hat eine Vorgeschichte. Die Linken hatten einen Asta-Raum längere Zeit besetzt gehalten. Und genau zwei Wochen vor dem Feuer hatten Unbekannte einen Brandanschlag auf das Asta-Haus verübt.

Seit dem neuesten Brand im Wohnheim ermittelt die Polizei nun gegen den FDP-Kreisvorsitzenden und ehemaligen Referenten im Asta, Nicolo Martin, wegen des Verdachts der schweren Brandstiftung. Wurden aus politischen Konflikten rund um den Göttinger Asta gewalttätige Auseinandersetzungen?

Jahrzehntelang galt Göttingen als Unistadt mit einer großen links-autonomen Szene und einer linken Studierendenvertretung als Infrastruktur für die politische Betätigung an der Hochschule. Seit zwei Jahren aber gibt es einen Asta, der vom RCDS und anderen rechten Studierendengruppen wie der „Aktion Demokratische Fachschaft“ getragen wird. Die damit verbundene Macht nutzten sie konsequent, um die Arbeit linker Gruppen zu behindern. Im Asta-Gebäude beanspruchten die neuen Hausherren mit Hilfe der Hochschulleitung einen zusätzlichen Raum, der bisher von linken Hochschulgruppen genutzt wurde. Verbindungsstudent Martin, der auch FDP-Kandidat für die Bundestagswahl 2002 war, arbeitete zu dieser Zeit als Finanzreferent und Vertreter der Liberalen Hochschulgruppe im Vorstand der Studierendenvertretung und war damit maßgeblich an der Kündigung des Raums beteiligt.

Die Linken wollten sich so einfach nicht geschlagen geben. Um diesen Ort auch weiterhin für Gruppentreffen und Veranstaltungen nutzen zu können, besetzte man ihn Ende Januar. Nach zwei Monaten wurde das Gebäude von der Polizei geräumt – der rechte Asta hatte sich mit seinem Anliegen durchgesetzt.

Die Ruhe dauerte jedoch nicht lange: Am 6. Juli brachen bis heute unbekannte Täter in das Asta-Gebäude ein und legten Feuer, bei dem ein Sachschaden in Höhe von 50.000 Euro entstand. Für einige rechte Hochschulgruppen war die Sache klar. Sie behaupteten, die Linken hätten sich mit dem Brand für den Rausschmiss revanchiert. Umgekehrt schreiben die Linken den Rechten die Tat zu: Sie wollten den selbst gelegten Brand dem politischen Gegner in die Schuhe schieben, um die Linke zu diskreditieren, so die Argumentation aus dem linken Spektrum. Die Ermittlungen laufen noch.

Anders als damals gibt es bei dem jüngsten Feuer im Wohnheim zwei Tatverdächtige. Martin, seit 1999 Unteroffizier der Reserve, leugnet nicht, mit einem Parteifreund in den Keller mit der Ausstellung eingedrungen zu sein. Nachdem sie im Keller entdeckt wurden, flohen beide aus dem Haus. Als die Polizei eintraf, kehrten beide zurück und gaben an, dass sie das Feuer löschen wollten und deshalb in den Keller eingestiegen seien.

Göttingens Linke glaubt diese Version nicht. Die Gruppierung Autonome Antifa (M) rief dazu auf, den „antifaschistischen Selbstschutz“ zu organisieren. Wenige Tage später wurde ein Verbindungshaus, in dem Martin gerade Geburtstag gefeiert haben soll, von Vermummten mit Steinen, Eiern und Feuerwerkskörpern angegriffen.

Wer auch immer das nun wieder war: Aus den anfangs eher kuriosen Reibereien zwischen Linken und Rechten sind ernsthafte Auseinandersetzungen geworden. CHRISTIAN HONNENS