mangel an lehrstellen
: Sommergefasel für Jugendliche

Da hatte die Metzgerinnung ja eine famose Idee! An ausgewählten Fleischtheken im Land liegt derzeit ein Heftchen aus mit dem Titel „Ich habe einen Freund, der ist Metzgermeister“. Die Kinderbroschüre soll bereits Vierjährigen Appetit auf eine Ausbildung zum Fleischer machen. Leider erlahmt das Interesse der Kleinen schon nach wenigen Seiten. Die Funktion von Wurstmaschinen lässt sich eben nicht halb so spannend illustrieren wie die Abenteuer von Piloten oder Lokführern, welche die erfolgreichen „Ich habe einen Freund“-Heftchen erzählen.

Kommentarvon CHRISTIAN FÜLLER

Leider beschreibt das fleischlose Propagandamaterial der Metzger ziemlich genau das Niveau, mit dem die deutsche Gesellschaft ihre endlose Lehrstellenkrise verhandelt. Die Debatte hat etwas Verlogenes und etwas Dummes.

Verlogen ist sie, weil offenbar nur im Sommerloch Zeit für eine existenzielle Frage zu sein scheint: Wie Jugendliche eine Ausbildung bekommen – und damit die einzige Chance zu gesellschaftlicher Teilhabe. Neu ist die Krise nicht. Schon Helmut Kohl kannte sie – auch wenn er sie sich durch seine notorische „Lehrstellengarantie“ vom Halse hielt. Immer im Sommer log er, aus jedem Schulabgänger einen Azubi zu machen. Doch im Herbst, wenn die Lücke zwischen Bewerbern und Stellen rechnerisch geschlossen schien, interessierte sich niemand mehr dafür, dass tatsächlich immer noch tausende auf der Straße standen.

Schlimmer noch ist die Dummheit, mit der die Ausbildung diskutiert wird. Vom Arbeitgeberchef Hundt über den Handwerkschef Phillipp bis zu den Jusos darf jeder das Schlichteste absondern, was ihm einfällt: Lehrlingsgehälter runter! Duale Ausbildung abschaffen! Deutsche Schüler sind doof! Mit der Wirklichkeit der Ausbildung haben diese Parolen wenig zu tun, weil sie das komplexe Gebilde „Lehrstelle“ immer nur von einer Seite betrachten.

Die Spezialität der „dualen Ausbildung“ beim Meisterbetrieb und in der Berufsschule ist ein gutes Produkt made in Germany – solange der Markt mitmacht. Das tut er aber längst nicht mehr. Was die Jugendlichen also brauchen, ist kein Sommergefasel, sondern den gezielten Ausgleich dieser strukturellen Schwäche des Lehrlingssystems. Staat und Ausbildungsverweigerer von Industrie wie Handwerk müssen überbetriebliche Ausbildungen zur Verfügung stellen – und alle Betriebe müssen diese Ausbildung endlich als gleichwertig anerkennen.

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