„Andere Länder machen es besser“

Marion Böker erzählt, wie die Bundesregierung vor dem UN-Frauenrechtsausschuss eine schlechte Figur machte

MARION BÖKER leitet die Delegation der Frauenverbände, die das Cedaw-Abkommen begleiten.

taz: Frau Böker, gestern musste die Bundesregierung ihren Bericht über die deutsche Frauenpolitik vor dem UN-Frauenrechtsausschuss (Cedaw) rechtfertigen. Wie hat sie sich geschlagen?

Marion Böker: Die Stimmung war angespannt. Eva-Maria Welskop-Deffaa vom Frauenministerium sagte oft, dass die Regierung leider diese und jene Daten nicht hat. Es sei ja so umständlich, sie zu sammeln. Dazu hat sich die Bundesrepublik aber selbst verpflichtet. Deshalb wirkte der Auftritt oft etwas peinlich.

Das Cedaw-Abkommen sieht vor, dass die Regierung alle Vorhaben daraufhin überprüft, wie sie jeweils Männern und Frauen zugutekommen. Gender-Mainstreaming heißt das. Nun fragte der Ausschuss, warum man davon nichts hört. Was hat die Regierung dazu gesagt?

Das war in der Tat ein schwieriger Punkt. Frau Welskop-Deffaa konnte immer nur sagen, dass man gerade analysiere, warum das Gender-Mainstreaming bisher gescheitert ist. Danach werde man sich etwas Neues überlegen. Nun ist aber das Frauenministerium in erster Linie für dieses Scheitern verantwortlich: Man hat die entsprechende Arbeitsgruppe aufgelöst und den Ansatz einfach nicht weiterverfolgt. Die Gesichter im Ausschuss waren dementsprechend entsetzt. Und die Nachfragen waren scharf: Deutschland bewege sich damit außerhalb der internationalen Verpflichtungen.

Machen andere Länder es besser?

Oh ja. Frankreich etwa analysiert seinen gesamten Haushalt nach Geschlechteraspekten. Schweden und Norwegen tun das ebenfalls. Sogar das konservativ regierte Österreich nimmt diese Analysen sehr ernst. Der Witz ist, dass die neuen EU-Beitrittsländer dazu verpflichtet sind, Gender-Analysen zu machen. Das tun sie nun, und zwar oft unter deutscher Anleitung. Dass man den Gender-Ansatz in Deutschland selbst nicht verfolgt, ist dort nicht vermittelbar.

Welche Konsequenzen haben die Gender-Analysen?

Sie erhalten Daten darüber, wie Frauen und Männer von einer Politik profitieren. Dann können Sie überlegen, ob die Steuerpolitik so gerecht ist. Oder ein Beispiel auf kommunaler Ebene: Sie finden heraus, dass sowohl Jungen als auch Mädchen die Sportplätze nutzen wollen. Aber auf dem Platz sind nur die Jungs. Es gibt nämlich keinen Nutzungsplan. Dann können Sie einen Plan aushängen, und schon haben Sie eine Gender-Ungerechtigkeit beseitigt. Ohne Kosten.

In Deutschland beträgt die Differenz zwischen Männer- und Frauenlöhnen 23 Prozent; das ist eine der größten in Europa. Was sagt die Regierungsvertreterin dazu?

Nach neueren Forschungen arbeiten Männer in Deutschland immer mehr und Frauen immer weniger. Sogar ihre Teilzeitstellen schrumpfen noch, zu 400-Euro-Jobs etwa. Die Regierung antwortete, dass sie untersucht und nachdenkt. Und gab zu bedenken, dass es mit der Finanzkrise sicher schlimmer wird. Das war die Antwort.

Das klingt nicht so, als habe der Ausschuss irgendeinen Einfluss auf die deutsche Geschlechterpolitik.

In Artikel 26 der Genfer Flüchtlingskonvention heißt es: „Jeder vertragschließende Staat wird den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in seinem Gebiet befinden, das Recht gewähren, dort ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen […].“

Artikel 2 der Antifolterkonvention besagt, dass „außergewöhnliche Umstände gleich welcher Art, sei es Krieg oder Kriegsgefahr, innenpolitische Instabilität oder ein sonstiger öffentlicher Notstand, nicht als Rechtfertigung für Folter geltend gemacht werden“ dürfen.

Artikel 1 des Cedaw-Abkommens zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau definiert diese als „jede mit dem Geschlecht begründete Unterscheidung, Ausschließung oder Beschränkung, die zur Folge oder zum Ziel hat, dass die auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau gegründete Anerkennung, Inanspruchnahme oder Ausübung der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch die Frau im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, staatsbürgerlichen oder jedem sonstigen Bereich beeinträchtigt oder vereitelt wird“. Die Bundesregierung wird dafür kritisiert, Artikel 11 nicht zu erfüllen: „Die Gesetze zum Schutz der Frau in den in diesem Artikel genannten Bereichen werden in regelmäßigen Abständen anhand der wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse überprüft und erforderlichenfalls geändert, aufgehoben oder erweitert.“ TAZ

Das Abkommen legt die Richtung fest, in die es gehen muss. Daran kann man Regierungen messen. Diese Regierung hat sich auf Familienpolitik festgelegt, Elterngeld und Kinderbetreuung, das ist auch schon ein Fortschritt. Bei anderen Themen muss man halt antreiben.

Das scheint nicht viel zu nützen. Die Regierung hat mit Ihrer Allianz der Frauenverbände im Vorfeld nicht einmal geredet.

Aber im Cedaw-Abkommen hat sich die Regierung dazu verpflichtet, mit uns zu sprechen. Das hat der Ausschuss ihr auch unter die Nase gerieben. Und Frau Welskop-Deffaa hat versprochen, dass das Ministerium nach der Genfer Sitzung mit uns in einen Dialog treten wird.

INTERVIEW: HEIDE OESTREICH