Schatten geteilter Geschichte

Die „Multikulturelle Klasse“ der Porzer Lise-Meitner-Gesamtschule befasst sich seit einem Jahr intensiv mit Namibia – und war auch vor Ort. Über das Projekt berichten die Schüler am Namibiatag

Von DIRK KRÜGER

„Die Forderung der Herero nach Entschädigung kann ich verstehen“, erklärt Lillian. Allerdings ist der 18-jährigen Schülerin der Porzer Lise-Meitner-Gesamtschule (LMG) auch klar, dass für die namibische Volksgruppe nicht viel zu holen ist. Auch 100 Jahre nach der blutigen Niederschlagung des Herero-Aufstandes in der ehemaligen Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ sei die deutsch-namibische Geschichte stark belastet.

Lillian weiß, wovon sie spricht. Sie ist Schülerin der so genannten Multikulturellen Klasse, die sich seit über einem Jahr intensiv mit Namibia befasst. Die soziale Situation steht hierbei genauso auf dem Lehrplan wie die Gesundheits- und Aids-Politik.

„Ich wollte eine neue Kultur kennen lernen und mich sozial engagieren“, begründet Lara, 18, ihre Beteiligung an dem Projekt und an einer mehrwöchigen Fahrt nach Namibia Ende März diesen Jahres. Ihr Mitschüler David freut sich, dass es für ihn möglich war, die „konstruktive Unterstützung der Menschen in Namibia“ auf eine für ihn erschwingliche Art zu realisieren.

In Namibia lebten und arbeiteten die Schüler mit der Bevölkerungsgruppe der Baster in der Kleinstadt Rehoboth. „Die Menschen in diesen Bezirken haben eine gewissen Lebensstandard“, erklärt Lehrerin Annemie Steffens, eine der OrganisatorInnen des Projektes. Innerhalb der Stadt bestünde allerdings ein starkes Wohlstandsgefälle. „In Sachen Armut war es viel schlimmer, als ich es mir vorgestellt habe“, schildert Mathieu seine Eindrücke. Die ethnischen Unterschiede seien allerorts spürbar. „Weiße Namibier schimpfen über unseren Besuch bei den Baster, da diese ihre Unabhängigkeit beantragt haben“, berichtet Steffens. Auch zwischen Baster und Herero gäbe es Eifersüchteleien.

Die Schüler konzentrierten sich vor Ort aber auf ganz konkrete Projekten wie die Reparatur einer Kindertagesstätte und die Errichtung einer Vorschule. Und die Zusammenarbeit funktionierte gut. Die Teilnehmer merkten, dass sie sich näher sind, als sie erwartet hatten. „Jungs“ waren ein beliebtes Gesprächsthema, wirft Lillian in den Raum. Ebenso wie Musik und Computerspiele fügen ihre Mitschüler hinzu. So nah sich beide Gruppen thematisch auch waren, überrascht zeigten sich die deutschen Schüler von der starken christlichen Prägung der Baster-Jugendlichen. „Sie sind viel disziplinierter und streng erzogen“, erzählt Daniela. Discobesuche und das Thema „Freund“ seien tabu.

Über den bisherigen Verlauf des Projektes informieren die Teilnehmer am Sonntag im Rautenstrauch-Joest-Museum im Rahmen des Namibiatages. Vom 3. bis zum 23. September erfolgt dann der Gegenbesuch der Partnerschule, der Dr.-Lemmer-Highschool, in Köln. Natürlich steht wieder viel Arbeit auf dem Programm, aber auch die Freizeit soll nicht zu kurz kommen. So ist es ein großer Wunsch der namibischen Jugendlichen, eine „Veranstaltung in einer großen Halle“ zu besuchen. Am liebsten wäre ihnen ein Musical.

„Namibiatag“: Rautenstrauch-Joest-Museum Köln, 4. Juli, 11 bis 18 Uhr