Badefreuden: Natürlich chlorfrei

Das Naturfreibad in Kirchdorf bei Sulingen ist Vorbild für die Pläne, das Bremer Stadionbad ökologisch wertvoll umzubauen. Statt mit Chemikalien wird das Wasser mit einer ausgeklügelten Filtertechnik und Schilf sauber gehalten

Das Wasser ist eine Wohltat für die Augen, ach was, für den ganzen Körper, für die Seele! So weich, so frisch, so chlorfrei: Das Naturfreibad in Kirchdorf bei Sulingen kommt ohne die literweise Zugabe der desinfizierenden Chemikalie aus, auch empfindliche Menschen können sich im Wasser aufhalten, bis sie blau gefroren sind – und nicht, bis die Allergie das Schwimmen zur Qual macht.

Keine roten Augen also, kein Chlorgestank und dennoch Wasser, eindeutig klarer als Kloßbrühe, klarer als der See um die Ecke. Wegen des Kiesbodens ist die Sicht zwar nicht mit dem Blick in ein gekacheltes Becken zu vergleichen, aber der Grund ist an jeder Stelle zu erkennen, anders als in wirklichen „Naturseen“, wo manch eine sich nicht sicher ist, ob sie wirklich wissen möchte, was sich unter ihr befindet. Hier und da gibt es im Naturbad Algenschlieren, aber das liege daran, dass so wenig los sei, erklärt der Bauamtsleiter der Samtgemeinde Kirchdorf, Günther Dahm. Paradox? Nein, sagt er, denn je mehr Leute das Bad nutzen, desto mehr Wasser wird von der ausgeklügelten Technik durch das Becken bewegt. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass algenfreundliche Totwasserzonen entstehen.

Doch das Wasser ist nicht nur klar, sondern auch rein, da die verschiedenen Filter – dazu gehört auch der Kiesboden – das Becken permanent säubern. In Spitzenzeiten, wenn das Bad brechend voll ist, wird dabei rund drei Viertel des Wassers gereinigt. Ein Teil dieser Saubermachaktion spielt sich dabei außerhalb des Badebereichs ab: Das Wasser wird aus dem Badebecken in eine Art Rasensprenger gejagt, reichert sich auf diese Weise mit Sauerstoff an und sickert durch einen weiteren Filter in eine eine mit Schilf bepflanzte Ruhezone, wo es sich regenerieren soll. Biochemische Prozesse ersetzen das Chlor. „Badegäste gehen nicht ins das Becken“, sagt Bauamtsleiter Dahm, „die haben sich daran gewöhnt“.

Damit möglichst wenig Schmutz – in diesem Fall Phosphor – in das Bad gelangt, werden die Badegäste aufgefordert, sich vor dem Sprung ins Nass zu duschen. Theoretisch wissen auch alle Bescheid über die besonderen Verhältnisse im Naturbad, da das Freibad von einem Schwimmverein betrieben wird und vor allem von Vereinsmitgliedern genutzt werden soll. Praktisch ist es ein Freibad wie jedes andere. Wer sich abkühlen will, muss nicht vorher dem Verein beitreten.

Die Badegäste werden außerdem ausführlich auf Tafeln über die Besonderheiten eines Naturbads informiert: Jeder kann so nachlesen, dass ansteckende Krankheiten nicht aus dem Wasser gefiltert werden können. Allerdings hat das zuständige Gesundheitsamt nach anfänglicher Ablehnung der unkonventionellen Technik keine Bedenken mehr. Experten schätzen die Ansteckungsgefahr als niedriger ein als etwa in der Straßenbahn. Regelmäßig werden Wasserproben genommen, bisher hat es keine Beanstandungen gegeben. Selbst im letzten Hitzesommer, als viel mehr Leute Erfrischung suchten als das Bad nach der Bauart vertragen kann, musste nicht Alarm geschlagen werden, sagt Dahm, die Werte blieben konstant. In anderen Naturbädern sei es schon passiert, dass das Wasser „umkippte“ und nicht genutzt werden konnte.

Ob das Kirchdorfer Bad wirklich als Vorbild für das Bremer Stadionbad dienen kann – der Naturfreibad-Fan Dahm ist skeptisch. Zum einen würden in so ein städtisches Stadionbad viel mehr Menschen kommen. Zum anderen befürchtet er, dass sich eine Kommune nicht traut, das geringe Risiko eine chlorfreien Bades einzugehen. „Aber eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nie.“ Und nicht alles, was Spaß macht, ist zwangsläufig ungesund. E. Bruhn