Europas größtes Uniklinikum auf Sparkurs

Der neue Vorstand der Charité ist komplett, jetzt geht es an die Umstrukturierung. Zunächst werden 20 Lehrstühle und 380 Betten abgebaut. Eine Anti-Korruptions-AG wird eingerichtet, über einen Haustarifvertrag verhandelt

Für die Charité hat der Anfang vom Ende einer Übergangszeit begonnen: Am 1. Juli hat Behrend Behrends, bislang kaufmännischer Vorstand des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, seine Arbeit als Klinikumsdirektor aufgenommen. Damit ist der neue dreiköpfige Vorstand komplett – und hat jetzt eine Riesenaufgabe vor sich.

Er muss das Universitätsklinikum nach der Fusion der alten Charité und des Universitätsklinikums Benjamin Franklin intern zusammenführen, neu strukturieren und auf wirtschaftliche Beine stellen – und dabei bis zum Jahr 2010 im Bereich Lehre und Forschung 98 Millionen Euro einsparen. Erste Eckpunkte der Strukturplanung, mit der er diese Ziele erreichen will, hat der Vorstand jetzt öffentlich vorgestellt. Der „Masterplan“, wie Vorstandschef Detlev Ganten die Gesamtplanung nennt, soll bis zum Ende des Jahres vorliegen.

Trotz des massiven Sparzwangs will die Charité, die Europas größtes Universitätsklinikum ist, an allen vier Standorten festhalten. Neben dem historischen Standort in Mitte gehören dazu das Rudolf-Virchow-Klinikum im Wedding, das Klinikum Benjamin Franklin in Steglitz und der Campus Buch. Damit erteilte Ganten Gerüchten um die Herabstufung des Steglitzer Klinikums zu einem normalen Krankenhaus eine klare Absage. Alle Außenstandorte aber werden auf den Prüfstand gestellt.

Nach den Eckpunkten des Strukturkonzepts sollen zunächst 380 der 3.500 Betten abgebaut werden. Weitere Reduzierungen stünden in der Zukunft an, sagte der neue Klinikdirektor Behrends. Hintergrund sei die zu erwartende Kürzung der Mittel durch die Einführung eines neuen Abrechnungssystems in den Krankenhäusern.

Auch der Streit mit den Krankenkassen um das Budget für die Krankenversorgung sei ein Problem, räumte Behrends ein. Für 2004 laufen die Verhandlungen noch. Behrends will ein „anderes Verhältnis“ zu den Kassen aufbauen. Sein Vorgänger, Ex-Verwaltungsdirektor Bernhard Motzkus, hat den Streit mit den Kassen gern vor Gericht ausgetragen.

Um die Sparvorgaben des Landes bei Forschung und Lehre umzusetzen, werden 20 der 108 Lehrstühle abgebaut, sagte Dekan Martin Paul. Zugleich sei die Fusion der beiden Institute der Rechtsmedizin in Mitte und Dahlem und die Konzentration des Fachbereichs in Dahlem geplant. Auch für die zahnmedizinische Ausbildung wird es künftig statt bisher drei nur noch einen Standort in Wilmersdorf geben. Die Zahl der Studienanfänger wird von 160 auf 80 halbiert.

Ganten kündigte an, eine Arbeitsgemeinschaft Anti-Korruption ins Leben zu rufen. Sämtliche Bewirtschaftungsverträge, etwa mit Reinigungsfirmen, würden gekündigt und neu ausgeschrieben. Es werde untersucht, ob Aufträge unkorrekt vergeben wurden. In der Vergangenheit hatte es häufig Kritik an der Praxis des Ex-Verwaltungsdirektors gegeben. Auch die Staatsanwaltschaft hatte bereits ermittelt. Nach Angaben von Ganten sind dort noch zwei Verfahren anhängig. Von der Neuvergabe der Bewirtschaftungsverträge verspricht sich die Charité auch Einsparungen.

Außerdem sollen mit den Gewerkschaften Verhandlungen über einen Haustarifvertrag für die rund 15.000 Beschäftigten aufgenommen werden. Dabei werde eine stärkere Bezahlung nach Leistung angestrebt, sagte Ganten. Weihnachts- und Urlaubsgeld sollen wegfallen. Betriebsbedingte Kündigungen seien „zum jetzigen Zeitpunkt“ nicht ins Auge gefasst. Der Druck aber ist hoch: Nach Angaben von Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS), der auch Aufsichtsratsvorsitzender des Klinikums ist, hat die Charité im vergangenen Jahr einen operativen Verlust von etwa 13,9 Millionen Euro verbucht. SABINE AM ORDE