Notstundung

„Das Moratorium sind wir“: Peter-Klaus Schuster, die Sammlung Flick und die geplanten Dokumentationen

Die Forderung nach einem Moratorium für die geplante Ausstellung zeitgenössischer Kunst des Sammlers Friedrich Christian Flick ist überflüssig. Erstaunlicherweise ist das Moratorium schon da. „Das Moratorium“, so Peter-Klaus Schuster, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, „sind wir.“ Das sagte er am Mittwoch der FAZ.

Nun stellen die Staatlichen Museen in vieler Hinsicht ein einziges Aufschubunternehmen dar. Wie lange wurde nicht die 1998 angekündigte Einrichtung des „Deutschen Centrums für Photographie“ immer wieder vertagt? Letzte Woche scheint es unter dem bedeutend schlichteren Namen „Museum für Fotografie“ in Form einer kleinen Ausstellung endlich im Haus der Helmut Newton Stiftung zur Welt gekommen zu sein.

Im Fall Flick freilich kann von einem Aufschub nur insofern die Rede sein, als Flick selbst sich eine siebenjährige Denkpause hinsichtlich der endgültigen Pläne für seine Kunstsammlung gönnt. Die Staatlichen Museen dagegen, die dem Sammler mit aller Energie die große Bühne für seine Schau im September bereiten, fürchten die Denkpause.

In diesem Falle wäre ein schlichterer Name auch hier bedenkenswert. Flick-Collection muss die Sammlung nur heißen, damit nicht allein Friedrich Christian Flicks Name, sondern der der Familie als Markenzeichen für Kunstsinn und Mäzenatentum etabliert wird. Der Sammler glaubt bekanntlich, der Familienname bedürfe dieses Imagetransfers. Nachzudenken wäre weiter über den Vertrag zwischen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Contemporary Art Ltd. in Guernsey, jener Briefkastenfirma, die Flicks Kunstwerke nach Berlin verleiht. Der Vertrag straft die Rede vom Mäzenatentum Lügen. Denn die Stiftung muss die doppelte Summe zahlen, die der Sammler bereitstellt, um die Ausstellung zu gewährleisten. Wie ihr Pressesprecher Frank Thiel bestätigte, ging inzwischen bei der Staatsanwaltschaft des Landgerichts Berlin eine Strafanzeige wegen des Anfangsverdachts der Untreue gegen Klaus-Dieter Lehmann, den Präsidenten der Stiftung, ein. Und nachzudenken wäre schließlich über die Kritik im Stiftungsrat selbst und im Kulturausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Hier wurde die abwehrende Haltung der Stiftung gegen eine öffentliche Debatte bemängelt und gleichzeitig festgestellt, dass sich die Stiftung zu wenig um die begleitende kritische Dokumentation gekümmert habe. Selbst Kulturstaatsministerin Christina Weiss und die kulturpolitische Sprecherin der SPD, Monika Griefahn, wünschen sich inzwischen diese begleitende Dokumentation.

Ohne Vorarbeit und in der Kürze der Zeit scheint es fraglich, ob die Dokumentation in gebotener Form und Differenziertheit zu leisten ist. Peter-Klaus Schuster geht in der FAZ eh nur von „einer Handreichung“ an das Publikum aus, in Form eines braven Gesprächs zwischen Eugen Blume, dem Leiter des Hamburger Bahnhofs, und dem Sammler.

Da wäre allerdings über das Angebot des Vereins Dokumentation Zwangsarbeit nicht mehr nachzudenken. Dieser setzte sich von Anfang dafür ein, eine Plattform zu schaffen, auf der in sachlicher, aber offener, wissenschaftlich fundierter, dennoch jedermann zugänglichen Form die Verstrickung des Firmenimperiums Flick in Arisierung und Ausbeutung von Zwangsarbeitern während der Nazi-Zeit dokumentiert wird. Die Ergebnisse der Forschungsarbeiten, die auf Initiative des Vereins und finanziert aus seinen Mitteln, derzeit durchgeführt werden, könnten „in eine gemeinsam zu definierende, historisch-kritische Plattform“ eingebracht werden, bot Armin Huttenlocher, der Vorsitzende des Vereins, Kultursenator Thomas Flierl an. Die Federführung müsste hier aber – anders als bei dem in jeder Hinsicht billigen Vorschlag der Staatlichen Museen – „bei unabhängigen Experten liegen“.

Doch auch die Umsetzung dieses Vorschlags verlangte mehr Zeit, sollte es nicht auf die Mitwirkung des Vereins an der Handreichung hinauslaufen. „Wir sind das Moratorium“: Es wäre schön, die Staatlichen Museen machten den Satz wahr. Es diente der Kunst, würden in dieser Zeit die offenkundigen Probleme des Projekts ausgeräumt. Denn dann ließe sich endlich über die Sammlung als Sammlung reden – ohne den Eindruck, es würden ganz andere Dinge verhandelt. BRIGITTE WERNEBURG