berliner szenen Demnächst in Goa

Mutter haut ab

Goa also. Wenn einem die eigene Mutter mitteilt, dass sie nun die meiste Zeit des Jahres in einem Strandhaus auf Goa verbringen wird, macht man sich automatisch Sorgen. Man wirft einen genaueren Blick auf die eventuell stecknadelgroßen Pupillen der Dame, fragt sich, ob man die Entwicklung von der Großstadtgöre zur Mantra-Tantra-Mutti übersehen haben könnte, und stellt sich vor, wie sie nachts am Lagerfeuer sitzt und Saris bestickt oder an einem Bauchtanzkurs teilnimmt. Also zuerst die Nachteile aufgelistet. Was ist denn mit der Sicherheit? Ach so, aha, jeder Inder hat also eine Trillerpfeife und wenn irgendwo eingebrochen wird, trillert der aufmerksame Nachbar los und der im Nebenhaus Schlafende tut es ihm gleich und nach wenigen Sekunden trillert das ganze Dorf. Dass sie dabei im Bett liegen bleiben, stört keinen.

Aber wenn die Inder das alles wissen und die Bewohner des Dorfes pfeifend in ihrem Bett liegen, bleibt die Frage, warum der Einbrecher nicht einfach fröhlich mitträllert und seelenruhig das Haus leerräumt. Egal, sie hat „the world’s loudest trillerpipe“, sagt zumindest die Verpackung des teuer bei Camp4 erstandenen Lärmgeräts. Und eine Taschenlampe mit Handdynamo. Na denn! Was ist mit dem Terror gegen Touristen? Interessiert sie nicht. Den mit Sicherheit bereits morgen beginnenden Atomkrieg zwischen Indien und Pakistan lässt sie außer Acht und auch jegliches weitere Schreckenszenario wischt sie beiseite. Ich verzweifle. Doch dann: Oho! Sie fragt, warum ich nicht bis zu ihrer Rückkehr im Mai in ihre Wohnung ziehe und mein Kollwitzplatz-Appartement gewinnbringend untervermiete. Ich wünsch ihr einen schönen Flug, und jetzt ab die Post, Zeit ist Geld.

JURI STERNBURG