„Nicht depressiv“

Für die Berliner Justizverwaltung war der Freitod des Liedermachers Kurt Demmler im Knast nicht vorhersehbar

Er hatte nicht den roten Punkt an der Tür, der im Untersuchungsgefängnis Moabit Suizidgefährdete kennzeichnet. Und noch am Vorabend seines Todes machte der wegen Kindesmissbrauchs angeklagte DDR-Liedermacher Kurt Demmler laut Anstaltsbericht „keinen depressiven Eindruck“. Dass der 65-Jährige am Dienstagmorgen dennoch mit seinem Gürtel am Zellenfenster erhängt aufgefunden wurde, gilt der Senatsverwaltung für Justiz als unerwartbar. Ähnlich äußerte sich auch seine Anwältin. Zuletzt war die Zahl der Selbsttötungen in Berliner Gefängnissen gesunken: von zehn im Jahr 2006 auf sechs 2007 und zwei im vergangenen Jahr.

Demmler, einer der erfolgreichsten ostdeutschen Rocktexter, saß seit August in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, sich in den 90ern rund 200-mal an sechs Mädchen im Alter zwischen zehn und 14 Jahren vergangenen zu haben. Am gestrigen Dienstag hätten im Prozess vor dem Landgericht die Hauptbelastungszeugin und vier weitere mutmaßliche Opfer aussagen sollen.

Nach seiner Verhaftung im August sei Demmler intensiv betreut worden, sagte der Sprecher der Justizverwaltung, Daniel Abbou, der taz. Nach dem von ihm zitierten Bericht der in Moabit zuständigen Sozialarbeiterin wies nichts auf Suizidgefahr hin. Angeblich hatte er allerdings gegenüber der Hauptzeugin gedroht, sich umzubringen, falls sie gegen ihn aussage.

Nach Justizangaben gibt es im Gefängnis Moabit eine spezielle Suizid-Prophylaxe. „Die gesunkenen Zahlen beweisen, dass das Programm erfolgreich ist“, sagt Sprecher Abbou. Den Gefangenen wie in Fernsehen Gürtel und Schnürsenkel abzunehmen, sei in der U-Haft nicht möglich, da für die Inhaftierten die Unschuldsvermutung gilt und sie ihre Privatkleidung tragen dürfen.

Grünen-Innenpolitiker Benedikt Lux sah keinen Anlass, mangelnde Überwachung und Betreuung in den Gefängnissen zu kritisieren: „Es hat sich gebessert, das liegt ja auf der Hand, wenn man sich die Zahlen anschaut.“ STEFAN ALBERTI

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