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: Es ist albern, auf ein Jobwunder zu hoffen

Es ist das größte Reformprojekt von Regierung und Union: Hartz IV. Und es ist völlig klar, dass es scheitert. Natürlich wird die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe verwaltungstechnisch irgendwie funktionieren. Aber offiziell war man ehrgeiziger, „Fordern und fördern“, lautete das Motto.

Vom Fördern ist jedoch nichts zu sehen. Selbst die Regierung räumt längst ein, dass sie überhaupt nur jedem vierten Arbeitslosen ein Angebot machen kann. Wenn man es denn ein Angebot nennen will, dass der Staat demnächst Lohndumping betreibt und seine Kindergärten mit arbeitslosen Erzieherinnen bestückt, die aber nur einen Euro zusätzlich verdienen.

Ein riesiges Reformprojekt – und hinterher ist alles weitgehend wie vorher und für viele Arbeitslose noch schlimmer. Es verlangt viel Fantasie, eine solche Bilanz nicht als Scheitern zu bezeichnen. Aber genau diese Fantasie werden Regierung und Union aufbringen. Sie werden einfach erklären, dass Hartz IV ein viel versprechender Start für Hartz V war.

Hartz V gibt es zwar noch nicht, aber die ersten Anzeichen sind zu erkennen, wie die Hartz-Serie weitergeht. Denn die Lieblingsanalyse lautet schon jetzt: Wenn Hartz IV keine Jobs schafft – dann nur, weil das Gesetzespaket nicht radikal genug war! Also weiter runter mit der staatlichen Unterstützung für Arbeitslose!

Diese Spirale nach unten wird sich drehen, solange sich diese Gesellschaft nicht entschließen kann, es einfach mal einzusehen: Es ist albern, darauf zu hoffen, dass ein Jobwunder geschieht. Die deutsche Wirtschaft müsste jahrelang jährlich um fünf Prozent wachsen, um Vollbeschäftigung zu erreichen.

Doch solange diese recht simple Tatsache ausgeblendet wird, so lange wird sich die Unterstellung halten, dass es irgendwie an den Arbeitslosen liegen muss, dass sie keine Arbeit haben. Schon erstaunlich: Selbst die Erfahrungen im Osten konnten diese absurde Kausalitätsbehauptung nicht erschüttern. In der offiziellen Rhetorik hat sich zwar längst der Textbaustein durchgesetzt, dass es im Osten leider keine Jobs gebe – dennoch werden die Arbeitslosen dort besonders hart bestraft. Schließlich bekommen sie noch häufiger Arbeitslosenhilfe als im Westen und werden jetzt alle kollektiv heruntergestuft. So sehr man ihre Situation verbal anerkennt, real ist das Vorurteil stärker, dass Arbeitslose selbst Schuld haben. Hartz V wird das zu würdigen wissen. ULRIKE HERRMANN

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