Säurefreie Bergung

Gifttanker im Hafen erfolgreich gehoben. Schlimmer als erwartet, gelangte nahezu die gesamte Säureladung in die Elbe. Von einer Ökokatastrophe könne dennoch nicht die Rede sein, meinen zumindest Eigner und Umweltbehörde

von Alexander Diehl

„Seit gestern um 17.47 Uhr ist das Problem mechanisch gesehen gelöst.“ Erleichtert zeigte sich Werner Marnette, Vorstandsvorsitzender der Norddeutschen Affinerie (NA), gestern bei der erklärt „letzten gemeinsamen“ Pressekonferenz im Hafenclub, genauer: in einem – ausgerechnet – „Elbe I“ geheißenen Raum. Und auch Umweltbehördensprecher Volker Dumann fand: „Alles ist gut gegangen.“

Groß also war die Freude über den glimpflichen Ausgang der Affäre um den gekenterten Säuretanker „Ena 2“, der seit Montagabend der vergangenen Woche kieloben im Petroleumhafen in Waltershof gelegen hatte. Mittels zweier offenbar nicht schneller verfügbarer Schwimmkräne war der 62-Meter-Havarist am Samstagnachmittag angehoben und plangemäß mit dem gegen 18 Uhr erreichten Hochwasser in eine schwimmfähige, aufrechte Position gedreht worden. „Ich will den Begriff Glück nicht überstrapazieren“, so Marnette unmittelbar danach, „aber ich bin sehr froh, dass wir das erreicht haben.“

Etliche Tauchgänge unter schwierigen, teils lebensgefährlichen Bedingungen waren dazu nötig gewesen: Erst nach und nach hatte man feststellen können, in welchem Zustand die Tanks und deren Luken waren, es mussten eigens Sonden konstruiert und ins Tankinnere geführt werden. Die Vorbereitungen hätten, so Marnette, „gut 100 Stunden gedauert“.

Durch eindringendes Elbwasser verdünnt, hatte die eigentlich hoch konzentrierte Schwefelsäure begonnen, mit den Tankinnenwänden zu reagieren, wobei sich Wasserstoff bildete. Weil dadurch ein erhebliches Explosionsrisiko entstanden war, kam dem Ausblasen der teilweise gasgefüllten Tanks besonderes Gewicht zu: So wurde seit dem frühen Freitagmorgen gasförmiger Stickstoff in die Tanks geleitet, der das gefährliche Gemisch herausdrängte.

Zwar mussten sich die an der Bergung Beteiligten in einem nicht unwesentlichen Punkt erneut korrigieren, nämlich der Menge der ausgelaufenen Säure: Von umgerechnet rund 922 Tonnen reiner Schwefelsäure waren am Samstag noch ganze 5,66 Tonnen an Bord übrig, der Rest war in die Elbe gelangt (siehe Kasten). Ansonsten war man sich aber einig: „Hier wurde gute Arbeit geleistet“, wie Marnette noch am Samstagabend sagte. Mehrfach bedankten er wie auch Innenstaatsrat Stefan Schulz sich bei den zahlreichen Einsatzkräften von Feuerwehr und Wasserschutzpolizei, den Tauchern und Bergungsfachleuten, aber auch bei den Anliegern des Petroleumhafens.

Wenngleich die NA als Eignerin – nicht aber Betreiberin – der „Ena 2“ rechtlich nicht in der Verantwortung stehe, betonte Marnette: „Wir sind uns bewusst, dass der ökologische Schaden nicht rückgängig gemacht werden kann.“ Die NA, der Umweltschutz „als Chefsache“ gelte, werde „einen nennenswerten finanziellen Betrag aufbringen, um den Fischbestand im Umfeld der Havarie wieder aufzubauen“. Dass über das lokal festgestellte Fischsterben unmittlebar nach der Havarie hinaus wohl keine Schäden für die Umwelt zu erwarten seien, darüber zeigten sich NA und Umweltbehörde gestern erneut in trauter Einigkeit. „Irgendwo in den Medien hab ich das Wort ‚Katastrophe‘ gehört“, so Behördensprecher Dumann. „Das ist Quatsch.“

Der Unglückstanker wurde noch gestern Nachmittag zur Reinigung in einen anderen Teil des Hafens gebracht, danach kommt er zur Instandsetzung in eine lokale Werft.

weiterer Bericht SEITE 8