Standortwirrwarr um Spione

Zu teuer: CDU und PDS sind gegen BND-Zentrale am Stadion der Weltjugend und plädieren für Güterbahnhof Heidestraße. SPD-Leonhard: BND soll nach Tempelhof

Es ist kein Maulwurf entdeckt worden, kein Terrorist wurde versehentlich wieder laufen gelassen und auch die sonst üblichen Skandale und Skandälchen fehlen. Dennoch herrscht seit dem Wochenende Gezänk über den Bundesnachrichtendienst (BND) in ungewohnter Lautstärke. Der Grund ist der mögliche Standort für das geplante Hauptquartier des BND in Berlin. Bundespolitiker und die Berliner Abgeordneten streiten sich über die Ansiedlung.

Nach Ansicht der rot-grünen Bundesregierung – allen voran Bundesinnenminister Otto Schily (SPD)– und von großen Teilen der Berliner SPD soll der Neubau auf dem Areal des früheren Stadions der Weltjugend in Mitte errichtet werden. Die CDU und PDS-Landeschef Stefan Liebig plädieren dagegen für einen alternativen Standort. Statt auf dem abgeräumten Stadionplatz soll der BND seine Zentrale auf dem früheren Güterbahnhof an der Heidestraße in Tiergarten errichten. Das Gelände sei um mehrere Millionen Euro billiger zu haben, so ihr Argument. Und um das Ansiedlungswirrwarr voll zu machen, befürwortete nach Medienberichten vom Wochenende die SPD-Haushaltsexpertin Elke Leonhard (MdB) den Flughafen Tempelhof, der im Herbst stillgelegt werden soll, als Berliner Geheimdienstort.

Bereits im Vorfeld der Standortfrage hatte es Kritik an der Übersiedlung des BND von Bayern an die Spree gegeben. Schily hatte den Umzug der Behörde mit der notwendigen Zusammenarbeit bei der aktuellen Terrorbekämpfung von Innenministerium und BND begründet. Die Geheimdienstmitarbeiter dagegen plädierten für den Verbleib ihrer Arbeitsplätze bei München sowie für die Beibehaltung der Dezentralität. Außerdem hatte Schily Anfang des Jahres den Umzug des Bundeskriminalamtes (BKA) nach Berlin angekündigt, war damit aber auf noch heftigeren Widerstand der Beamten gestoßen. Der damalige Präsident des Amtes, Kersten, war bald nach Personalversammlungen in Wiesbaden und Meckenheim in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden. Derzeit liegt der BKA-Umzug auf Eis, Schily will aber einzelne Abteilungen von Köln und Meckenheim nach Berlin holen.

Laut CDU ist der BND-Umzug auf das Güterbahnhofgelände sinnvoller, befindet es sich doch in der Nähe des Innenministeriums. Zugleich ist es billiger als der Stadion-Standort. Dort sollte 1993 eine Olympiahalle und später einmal Wohnungsbauten errichtet werden. Jetzt ist es eine wilde Grünfläche. PDS-Chef Liebich sprach sich ebenfalls dafür aus, das Bahnhofsareal „noch einmal zu prüfen“. Dies sei in Gesprächen mit dem BND deutlich gemacht worden.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, verteidigte am Sonntag die Linie von Schily und der Bundesregierung, den BND nach Mitte umzuquartieren. Außerdem widersprach er der SPD-Parteikollegin Leonhard. Ein BND im Flughafen Tempelhof erinnere an „bizarre Folklore“, die nicht „den Hauch einer Realisierungschance“ habe. Heidemarie Fischer, Berliner SPD-Innenpolitikerin, unterstützte Wiefelspütz und empfahl Leonhard, sich nicht in hiesige „Angelegenheiten“ zu mischen. ROLA