Die Wunde Weserstadion

Der Tag nach der Klatsche von Pasching: Die PR-Abteilung von Werder Bremen fährt ein „gigantisches Ablenkungsmanöver“ und zeigt mit bangem Stolz die Bauarbeiten in der Nordkurve. Dabei sieht es dort ähnlich chaotisch aus wie im Spiel der Profis

taz ■ Es war ein hoch symbolischer Auftritt: Werders Vorstandsmitglied und Marketing-Chef Manfred Müller stapfte mit einer klaffend-blutenden Wunde an der rechten Hand die Stufen zum Innenraum des Weserstadions hinunter. Er habe sich „gerade auf der Baustelle geschnitten“, sagte der Mann im Anzug – und verlangte nach einem Pflaster. Eigentlich wollte Müller einer Schar Medienvertretern stolz die Baustelle Weserstadion zeigen, doch die Journalisten trieb noch immer etwas anderes um: die Klatsche von Pasching, das jämmerliche 0:4 vom Vorabend gegen den FC Superfund aus Oberösterreich im UI-Cup. Der Termin sei ein „gigantisches Ablenkungsmanöver der PR-Abteilung“, übte sich Mediendirektor Tino Polster in Galgenhumor.

Auch Vorstand Müller raunte von einer „sehr dramatischen Situation“ – er meinte damit jedoch nicht die spielerischen Fähigkeiten der Werder-Profis, sondern das Wohl der Fans. Die Zuschauer müssten sich nämlich bei den kommenden Heimspielen auf „lange Wartezeiten“ beim Einlass einstellen. Wenn am übernächsten Sonnabend im ersten Bundesliga-Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach die erwarteten 41.000 Zuschauer ins Stadion drängeln, ist das Chaos vorprogrammiert. Der Nordkurven-Mantelbau kommt derzeit einer Power-Baustelle gleich – doch erst zwei der geplanten vier Treppentürme, über die man den Oberrang erreicht, sind leidlich fertiggestellt. Fünf Meter breite Trassen mitten durch die Baustelle müssen angelegt werden, damit die Zuschauer das Stadion überhaupt erreichen. Außerdem müssen mit Stahlgerüsten provisorische Brücken zum Oberrang errichtet werden.

Das alles ist nicht billig: „Ein Spiel herzurichten kostet uns 50.000 Euro“, sagte der Marketing-Direktor. Die einzig mögliche Alternative, nämlich die Nordtribüne zu sperren, „ist keine Alternative“, so Müller: „Für die Stimmung wäre das eine Katastrophe.“ Der Stadionteil fasst immerhin 12.000 Zuschauer. Müller bittet nun alle Werder-Zuschauer, sich möglichst früh auf den Weg ins Stadion zu machen. „Vielleicht müssen wir ’ne Happy Hour einführen“, denkt der Vorstand laut über mögliche Anreize für Zu-früh-Kommer nach.

Im April hatte der damalige Wirtschaftssenator Josef Hattig den ersten Spatenstich für die Erweiterung der Nordtribüne gemacht. Das Projekt, das ursprünglich für die WM 2006 angeschoben wurde und 16 Millionen Euro verschlingt, soll im Spätsommer nächsten Jahres abgeschlossen sein. Neben dem „Werder-Museum“ soll der Mantelbau drei Büroetagen und exquisite VIP-Logen beherbergen.

Um auch positive Nachrichten zu ventilieren, wies Müller darauf hin, dass „der Rasen im Moment top“ sei und dass das Weserstadion „jetzt auch eine farbliche Struktur bekommt“. Bestach die Arena bislang vornehmlich durch grauen Beton, hat man jetzt begonnen, die Ostkurve grün-weiß zu bepinseln. Selbst der Innenraum soll mit grünem Teppich ausgelegt werden. „Dann haben wir ’ne Optik, als ob der Rasen bis zu den Zuschauern geht.“ Allein von dem Orange, das die neuen Trikots der Werder-Spieler ziert, findet man im Stadion nichts, mit einer Ausnahme: einer Werbetafel für „Uncle Ben’s Reis“. Markus Jox