Jukebox

Der musikalische Aszendent

Wer den wilden Teil seiner Jugend in den 80er-Jahren verbracht hat, hat dieser Tage die Möglichkeit, a) dank des aktuellen Revivals des Jahrzehnts sentimental zu werden, b) peinlich berührt zu sein oder c) diese Tatsache weitestgehend totzuschweigen. Auch wenn schon wegen mancher verdrängter Frisur c) wohl die schlaueste Variante wäre, entscheiden wir uns nach kurzschmerzloser Überwindung von b) dann doch für a). Und dann führt kein Weg mehr vorbei an Bananarama und „Robert DeNiro’s Waiting“. Das war eine Verbindung, die im Himmel geschlossen wurde: Der letzte echte Charakterdarsteller mit Massenappeal wird besungen von der letzten echten Girl-Group des Pop (wer sind denn bitte schön die No Angels?). Bananarama ließen die Traditionen der Sixties wieder aufleben, ehrten noch einmal die Ronettes, die Supremes, die Shirelles. Der Erfolg von Keren, Sarah und Siobhan beruhte auf klar definierten Rollen: Es gab die mondäne Blondine, die Kumpelige mit dem netten Lachen, die geheimnisvolle Dunkelhaarige. So wurden sie zu Traumfrauen für den männlichen Teil einer Generation und Vorbild in Mode- und Stylingfragen für die weibliche Hälfte. Was aber darüber gerne vergessen wird: Die drei Ex-Models sahen nicht nur gut aus, sie machten – trotz intellektuell abgesicherter Konkurrenz wie Heaven 17, Scritti Politi oder Gang of Four – den besten Pop ihrer Zeit. Nun gut, sie machten ihn nicht selbst, sondern ihre Produzenten, aber Pop wäre nicht Pop ohne Antiauthentizität. Viel wichtiger war eh, wie man sich am effektivsten die Haare toupiert. Nach Bananarama kamen nur mehr feministische Singer/Songwriterinnen für die einen, gecastete Boygroups für die anderen und sowieso die große Ödnis, denn plötzlich war Pop wieder Kommerz und garantiert nicht mehr subversiv. Vor allem aber sollte man heute noch einmal „Robert de Niro’s Waiting“ hören. Dann wird man feststellen, dass solche Vokal-Harmonien heute nicht mehr gesungen werden, solche Melodien nicht mehr geschrieben und so viel Glamour nicht mehr ausgestrahlt wird. Aber vielleicht liegt es auch an mir: Schließlich war ich verliebt – in die Nette. THOMAS WINKLER