Polizei schreibt Übersetzungen aus

Als Konsequenz aus der so genannten Dolmetscher-Affäre will das Landeskriminalamt nun ein zentrales Büro mit den anfallenden Übersetzungen beauftragen. Bis dahin soll eine Übergangslösung Luftrechnungen ausschließen

Die Polizei zieht Konsequenzen aus der so genannten „Dolmetscher-Affäre“ bei der Drogenfahndung des Berliner Landeskriminalamtes (LKA). Dessen Chef Peter Michael Haeberer plant Dolmetscheraufgaben an ein zentrales Übersetzungsbüro zu vergeben. Die hierzu erforderlichen Kriterien wurden bereits erarbeitet. In Kürze soll eine öffentliche Ausschreibung erfolgen. Den unmittelbaren Einsatz ihres Personals soll das Büro dann künftig selbst steuern, um zu vermeiden, dass Polizeibeamte weiterhin darauf Einfluss nehmen können, mit welchem Dolmetscher sie jeweils zusammenarbeiten wollen.

In einem ersten Schritt hat Berlins oberster Krimnalrat als Übergangslösung zunächst „Lieferscheine“ eingeführt. Beim Betreten eines Polizeigebäudes erhält ein Dolmetscher nun einen Laufzettel, den er während seiner Arbeiten, etwa der Übersetzung abgehörter Telefongespräche oder bei Vernehmungen von den zuständigen Beamten abzeichnen lassen und beim Verlassen der Dienststelle wieder zurückgeben muss.

Auf diese Weise sollen „Luftrechnungen“ für nicht geleistete Arbeitszeiten künftig verhindert werden. Derartige Vorwürfe erheben Polizei und Staatsanwaltschaft gegen drei Dolmetscher und drei Rauschgiftfahnder, die sich seit Ende Juni vor dem Berliner Landgericht verantworten müssen. Anhand der neuen Laufzettel soll überprüft werden, ob die eingereichten Rechnungen gerechtfertigt sind.

Zudem soll dabei auch festgestellt werden, wer von den rund 750 von der Berliner Polizei eingesetzten Dolmetschern wie häufig beschäftigt wurde und ob der jeweilige Einsatz in der angegebenen Dauer tatsächlich notwendig war. Ergeben sich dabei Unstimmigkeiten, „bekommt jemand ein echtes Erklärungsproblem“, sagt Haeberer.

„Ein Vertrauensverhältnis besteht grundsätzlich mit der Behörde und nicht mit dem einzelnen Ermittlungsbeamten“, sagt LKA-Chef Haeberer und sieht durch die Vergabe der Dolmetscheraufgaben an aushäusiges Büro zugleich auch seine Beamten „vor Fehltritten geschützt“.

In der Vergangenheit soll das Verhältnis zwischen einigen Drogenfahndern und ihren Dolmetschern so eng geworden sein, dass sie eingereichte Rechnungen äußerst großzügig abzeichneten. Den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft zufolge wurden dabei mehr Arbeitsstunden berechnet als tatsächlich geleistet wurden. Selbst ein Übersetzer, der im Urlaub war, soll in Rechnung gestellt worden sein. Der Gesamtschaden dieser kreativen Buchführung beläuft sich laut Anklage auf rund 450.000 Euro.

Der Hauptbeschuldigte Kemal E. wurde bereits am 30. Oktober 2001 festgenommen und sitzt seither in Untersuchungshaft. Im Gegenzug für die bereitwillige Abzeichnung überhöhter und zum Teil erfundener Rechnungen sollen die Kriminalbeamten zu Reisen nach Chicago, London oder Kitzbühl eingeladen worden sein. Gegen sie wird nun wegen Bestechlichkeit und Betrugs ermittelt. Drei Dolmetscher und drei Polizisten müssen sich bereits seit Ende Juni dafür vor Gericht verantworten.

Begonnen hatte die „Dolmetscher-Affäre“ im Jahre 1995 mit einer großzügigen Computer-„Leihgabe“ für die Drogenermittler der notorisch finanzschwachen Berliner Polizei.

In einem gesonderten Verfahren wird in diesem Zusammenhang auch gegen den früheren Polizeipräsidenten Hagen Saberschinsky, seinen damaligen Vize Dieter Schenk und den einstigen LKA-Leiter Hans-Ulrich Voß ermittelt. Persönliche Verfehlungen werden ihnen nicht vorgeworfen, vielmehr stellt ihre Genehmigung der seinerzeitigen Leihverträge nach Ansicht der Staatsanwaltschaft eine unzulässige Vorteilsnahme zugunsten der Polizeibehörde dar.

OTTO DIEDERICHS