Mit Heterogenität umgehen lernen

Bündnis 90/Grüne stellen ihr Eckpunktepapier zur Bildungspolitik vor. Gut ist: es soll kostenneutral sein

Was eine gute Schule ist, davon haben die Berliner Grünen eine klare Vorstellung. Um zu illustrieren, wie so eine aussieht, luden sie gestern in die Schöneberger Werbellinsee-Grundschule ein. Dort präsentierten sie ihr Eckpunktepapier grüner Bildungspolitik. „Gemeinsam lernen – individuell fördern“ ist das Motto des bündnisgrünen Schulprogramms, das Özcan Mutlu, der bildungspolitische Sprecher, gemeinsam mit der kitapolitischen Sprecherin Elfi Jantzen präsentierte.

„Fakt ist, dass unser Schulsystem mit Heterogenität nicht umgehen kann“, sagte Mutlu. Das deutsche Bildungssystem orientiere sich am Durchschnitt und produziere dabei nur unterdurchschnittliche Leistungen. Andere Länder hingegen schafften es, dass Kinder gemeinsam lernen, dabei jedoch individuell gefördert werden. Die Grünen wollen sich daher mit Anträgen im Abgeordnetenhaus unter anderem für die Einführung individuellerer Bildungspläne für Schüler stark machen. Gefördert werden müsse auch, betonte Mutlu das zentrale Ansinnen der Grünen, die stärkere Eigenverantwortung der Schulen. Selbstverständlich soll es berlinweit ein Kerncurriculum geben, gleichzeitig aber könnten die Schulen ihre Lerninhalte und Didaktik, ihr Personal und Budget selbst verwalten. Das diene, so die Vorstellung der Grünen, kombiniert mit Systemmonitoring und Qualitätsmanagement, der Verbesserung des schulischen Angebots.

Zudem forderten Mutlu und Jantzen, künftig verstärkt mehrsprachiges Personal einzustellen, um Kinder mit Migrantenhintergrund besser betreuen zu können. Das sei, wegen der zu erwartenden Pensionierungswelle, ähnlich wie die übrigen Vorschläge, weitestgehend kostenneutral.

Für eine insgesamt bessere Betreuung schlagen die Grünen langfristig das Modell der ganztägig geöffneten Schule als offener Schule vor. Hierbei können benachbarte Organisationen wie Sportvereine oder Kirchengruppen in die Betreuung miteinbezogen werden. Dabei gelte es, die in Deutschland traditionell getrennt organisierte Schule, Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfe zu bündeln.

Alle zunächst auf dem Grünen-Papier formulierten Vorschläge sind an der Werbellinsee-Grundschule schon Realität. Dort hat eine engagierte Schulleitung, gemeinsam mit kooperativen Eltern, einem gut gepolsterten Förderverein und kreativem Personal viele dieser Ideen schon längst umgesetzt. Als eine von nur 18 ganztägig geöffneten Schulen im Westteil der Stadt werden die rund 550 SchülerInnen dort von LehrerInnen und ErzieherInnen gemeinsam und individuell betreut. Während eine Lehrkraft die Kinder unterrichtet, kümmert sich eine ErzieherIn um einzelne Kinder, die während des Unterrichts Probleme haben. Jedes Kind hat sein eigenes Wochenlernpensum mit individuellen Aufgaben. Mittags gibts ein zu bezahlendes Mittagessen. Die Nachmittagsbetreuung übernimmt das Schulpersonal. Auch in der Urlaubszeit gibt es ein Programm. Was gespielt oder gemacht wird, bestimmen die Kids allerdings selbst. AW