Der neue Chef ist zum Erfolg verurteilt

Der Philosoph Heiner Bielefeldt übernimmt nach einer Zeit der Querelen das Deutsche Institut für Menschenrechte

Manche meinen, es ist ein Schleudersitz. Von heute an ist Heiner Bielefeldt Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin. Sein Vorgänger Percy MacLean schied im Januar im Streit mit dem Institutskuratorium aus dem Amt. Wahrscheinlich ist Bielefeldts Stellung aber gerade deshalb besonders komfortabel. Jetzt muss die Zusammenarbeit klappen, wenn das Institut, das 2001 nach einem einstimmigen Beschluss des Bundestags gegründet wurde, noch ein Erfolg werden soll.

Bisher war Heiner Bielefeldt an der Universität Bielefeld als Privatdozent tätig. Bielefeldt aus Bielefeld – ständiger Stoff für Kalauer, die der studierte Philosoph und Theologe längst nicht mehr hören kann. Tätig war er in der vom bekannten Jugendforscher Wilhelm Heitmeyer geprägten interdisziplinären Forschungsgruppe für Konflikt- und Gewaltforschung. Er unterrichtete Juristen, Pädagogen und Philosophen in Bielefeld und Bremen.

„Ich bin ein Grundrechtsliberaler“, sagt Heiner Bielefeldt, wenn man ihn nach seiner politischen Ausrichtung fragt – „und parteilos.“ Die Aufgabe des Instituts sieht der 45-Jährige „zwischen Tagespolitik und Wissenschaft“. Die Studien der Berliner Einrichtung sollten politische Wirkung haben, aber keine oberflächlichen Schnellschüsse sein. Um Themen wie Arbeitslosigkeit, Sterbebegleitung und Abschiebehaft, mit denen sein Vorgänger MacLean angeeckt war, will sich auch Bielefeldt kümmern. Außerdem ist sein Ziel, die Menschenrechtserziehung von Polizisten, Soldaten und Juristen zu verbessern.

Einen Namen hat sich der Wissenschaftler vor allem mit seinem Werk „Philosophie der Menschenrechte“ gemacht, einem entschiedenen Plädoyer für die Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte. Bielefeldt wehrt sich darin auch gegen die Vorstellung, die Menschenrechte seien etwas typisch Westliches, das nun dem Rest der Welt aufgedrängt wird. „Die Geschichte der Menschenrechte ist eine Konflikt- und Lerngeschichte“, sagt er dazu, „überall mussten Freiheitsrechte mühsam erkämpft und gesichert werden.“ Auch in Staaten mit anderen Werten wolle niemand gefoltert oder willkürlich inhaftiert werden.

Dabei integriert Bielefeldt auch kulturrelativistische Ideen in seine Theorie. „Es ist klar, dass etwa die Bedeutung von Familie oder Religion je nach Kultur anders gesehen wird, aber auch dabei sind die Freiheitsrechte zu achten“, so Bielefeldt. Jede freie Form der Ehe müsse zum Beispiel Zwangsheiraten ausschließen und Scheidungsmöglichkeiten vorsehen.

Bielefeldt hat sich auch viel mit dem Islam beschäftigt. Und auf die „Gretchenfrage“ nach dem Kopftuch der Lehrerin hat er schon gewartet. „Ich neige dazu, das Kopftuch zu erlauben. Eine Lehrerin muss die Neutralität des Staates nicht in Person verkörpern“, sagt Bielefeldt, der sich selbst als „postmodern gebrochenen Katholiken“ bezeichnet.

Und dann erinnert er sich an einzelne unter seinen Studentinnen. „Manche, die das Kopftuch hier als Reaktion auf Diskriminierungserfahrungen tragen, wären wohl die Ersten, die im Iran das Tuch nach hinten rücken und ihren Haaransatz zeigen.“ In Deutschland sei das Kopftuch kein eindeutiges Symbol der Frauenunterdrückung, sondern teilweise auch ein Zeichen von Widerspruchsgeist.

CHRISTIAN RATH