BISKY MUSS FRAGEN BEANTWORTEN: NACH DER ZUKUNFT DES SOZIALSTAATS
: Ein alter Schlapphut

Endlich! Gestern kamen die ersten Forderungen nach dem Rücktritt Lothar Biskys. Das hatte noch gefehlt im Theater um die Stasi-Vergangenheit des PDS-Chefs. Eine Koalition aus Hinterbänklern nutzt die Gunst der Stunde, um in die Schlagzeilen zu kommen – und die erbärmlich schwachen Sozialisten noch mehr zu demoralisieren. Das dürfte klappen. Schon seit Tagen wird im Fall Bisky zusammengerührt, was zusammenpasst. Mit der Rosenholz-Datei sind erstmals seit der Wende neue Stasi-Akten greifbar. Mit Bisky hat die PDS erstmals seit drei Jahren wieder einen Chef, der halbwegs ernst genommen wird. Da muss sich doch was daraus machen lassen, dachte sich ein schlauer Journalist. Politik und Medien nahmen’s dankbar auf, weil sein Blatt, die Zeit, auch dann ernst genommen wird, wenn sie wenig Neues findet.

Das Ergebnis der Rosenholz-Recherche ist ein alter Schlapphut namens „Bienert“. So nannte die Stasi also ihren Zuträger Bisky, erfahren wir durch den Karteikartenfund der Zeit. Mehr nicht. Dass Bisky für die Stasi Berichte aus dem Westen schrieb, war längst bekannt. Und anders, als seine Gegner jetzt behaupten, spielte Bisky seine Stasi-Kontakte nie herunter. Ja, er habe an die Weltrevolution geglaubt, erzählte Bisky, ja er habe sogar angeboten, als Spion in die BRD zu gehen. Ist das verwerflich? Ein Urteil darüber steht nur Stasi-Opfern zu. Schweigen sollten Politiker aus dem Westen. Oder hatte jemand von ihnen etwas dagegen, als der Ex-BND-Chef Kinkel Außenminister wurde?

Die Verlogenheit der westlich geprägten Volksparteien zeigt sich am Beispiel Nooke. Kaum nahm der ostdeutsche CDU-Mann Bisky in Schutz, wurde er zurückgepfiffen. Es könnte ja mehr herauskommen, heißt es nun, wer weiß schon, was Bisky noch alles für die Stasi tat? Die Unschuldsvermutung – ein Fremdwort, wenn es gegen die „SED-Nachfolger“ geht. Bisky sollte die Rücktrittsforderungen ignorieren – und endlich das tun, wofür er gewählt wurde. Eine ernst zu nehmende Politik links der Mitte offerieren. Die PDS hat in der Tat zu lang geschwiegen. Aber nicht zu den Kampagnen ihrer Gegner, sondern zu deren Politik. Die beste Antwort auf die Kritik an Bisky wäre endlich eine Antwort der PDS auf die Agenda 2010. LUKAS WALLRAFF