Ratzinger wittert den Verfall

In einem Dokument wendet sich der Kardinal gegen eingetragene Lebensgemeinschaften für Lesben und Schwule sowie gegen die Homoehe. Er fordert katholische Politiker in aller Welt auf, in ihren Ländern Widerstand gegen solche Regelungen zu leisten

aus Rom MICHAEL BRAUN

„Überlegungen zu den Projekten einer gesetzlichen Anerkennung der Partnerschaften zwischen Homosexuellen“ – schön sachlich präsentiert sich das gestern von Kardinal Joseph Ratzinger veröffentlichte Dokument des Vatikans. Doch kaum heben die Überlegungen an, ist es mit der Neutralität auch schon vorbei. Wie gehabt dekretiert Ratzinger in seiner Eigenschaft als Chef der Glaubenskongregation des Vatikans, dass „jene Partnerschaften schädlich für die richtige Entwicklung der Gesellschaft sind, vor allem wenn ihr effektiver Einfluss auf das gesellschaftliche Gefüge zunehmen sollte“. Soweit nichts Neues im katholischen Kampf gegen Schwule und Lesben, auch wenn die netterweise von Ratzinger „Respekt und Mitleid“ spendiert kriegen.

Neu ist allerdings, dass Ratzinger diesmal die Pflichten der katholischen Politiker in den Mittelpunkt rückt. Die sind zum Widerstand gegen die in zahlreichen Ländern sich mehrenden Regelungen zur Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der traditionellen Ehe aufgerufen. Die „heilige“ Heteroehe habe nun mal die Aufgabe, „die Ordnung der Generationen zu gewährleisten und ist deshalb von eminenter öffentlicher Bedeutung“. Deshalb hätten Katholiken in der Politik gegen alle Gleichstellungsbestrebungen vorzugehen: „Rechtliche Anerkennung homosexueller Partnerschaften oder ihre Gleichstellung mit der Ehe würden nicht nur die Anerkennung abweichenden Verhaltens bedeuten, […] sondern auch Grundwerte verdecken, die zum gemeinsamen Erbe der Menschheit gehören.“ Deshalb gehört sich natürlich erst recht nicht, dass Homos Kinder adoptieren können – das nämlich sei per se „Gewalt gegen die Kinder“.

Und wo sich Regelungen zur Homoehe oder zu eingetragenen Lebensgemeinschaften nicht mehr zurückdrehen lassen, haben die frommen Politiker gefälligst darauf hinzuwirken, die „schädlichen Auswirkungen auf die Kultur und die öffentliche Moralität zu vermindern“.

Die sind nämlich nicht mehr nur in den europäischen Ländern jenseits der Alpen fühlbar, in den Niederlanden und Belgien mit der Homoehe oder in Deutschland mit der eingetragenen Lebensgemeinschaft. Selbst in Italien mehren sich schüchterne Versuche, die Homosexuellen rechtlich mit Heteros gleichzustellen. Bisher konnte sich die katholische Kirche darauf verlassen, dass einerseits die Schwulen und Lesben präsent waren wie anderswo auch – dass sie aber andererseits meist den urkatholischen Umgang mit der Sünde pflegten: Begehe sie ruhig privat, aber rede nicht öffentlich darüber. Doch in letzter Zeit mehrten sich für den Vatikan beunruhigende Signale. In links regierten Kommunen können zusammen lebende Schwule oder Lesben immer häufiger auf dem Rathaus ihre Partnerschaft registrieren lassen. Noch schlimmer für Ratzinger und Co. war, dass mit Bari im letzten Frühjahr erstmals eine rechts regierte Stadt eine solche Regelung beschloss.