Feuer und Flammen an der Côte d‘Azur

Waldbrände verwüsten das knochentrockene Südfrankreich. Bislang fünf Tote. Berufsvereinigung der Feuerwehr wirft Politik vor, sie betrachte Zivilschutz nur unter kaufmännischen Gesichtspunkten. Streit über fehlendes Geld

PARIS taz ■ Südfrankreich in Flammen: Binnen weniger Tage sind 700 Waldbrände ausgebrochen, fünf Menschen kamen ums Leben, mehr als zwanzig wurden teilweise schwer verletzt, tausende mussten evakuiert werden. Ein bislang unüberschaubares Waldgelände, landwirtschaftliches Nutzland, zahlreiche Ortschaften und Ferienanlagen sind verkohlt.

Zu allem Überfluss weht seit gestern Nachmittag erneut der Mistral. Für die gegenwärtig 1.700 Feuerwehrleute am Boden birgt dieser unberechenbare Wind die zusätzliche Gefahr, binnen Sekunden allseitig von Flammen umzingelt zu werden. Angesichts der Ausmaße der Brandkatastrophe hat die französische Regierung einen internationalen Hilferuf gestartet. Ihre Flotte von 25 zu einem guten Teil alten Löschflugzeugen ist überfordert. Gestern waren erstmals auch Löschflugzeuge aus anderen europäischen Ländern in Frankreich im Einsatz. Ihre Hilfe zugesagt haben bislang Griechenland, Russland und Spanien.

Nach einer enorm langen und harten Trockenperiode stellt der gerade erst begonnene Hochsommer in Südfrankreich schon jetzt Brandrekorde auf. Bislang haben Wälder von Saint-Tropez bis Sainte-Maxime gebrannt. Mancherorts kam es zu Panik. Wie in La Garde-Freinet, wo eine britische Großmutter mit ihrem Enkelkind angesichts der Flammen, die um ihr Haus züngelten, zu fliehen suchte. Beide kamen um. Der Großvater, der im Haus blieb, überlebte. Augenzeugen berichten: „Die Flammen verbreiten sich so rasant, als wäre der Boden mit Benzin getränkt.“

Feuerwehr und örtliche Behörden sind überzeugt, dass zahlreiche Brände mutwillig gelegt worden sind. Darauf deutet das gleichzeitige Ausbrechen von Großbränden an verschiedenen Stellen hin, aber auch Molotowcocktais, Flaschen und andere Brandsätze. Mitte der Woche wurden zwei jugendliche Pyromanen und ein 30-jähriger Mann verhaftet. Letzterer gab zu, im Monat Juli neunmal gezündelt zu haben, und begründete sein Handeln mit „unkontrollierbaren Trieben“ und mit seiner Enttäuschung darüber, dass die Feuerwehr seine Bewerbung abgelehnt habe. Die Ermittler gaben den Mann in psychiatrische Obhut. Vereinzelt vermuten Feuerwehrleute bereits eine „neue Form des Terrorismus“.

In Paris wiederholte Staatspräsident Jacques Chirac gestern erneut seine Androhung „exemplarischer Strafen“ für alle Brandstifter – ganz egal ob sie in krimineller Absicht oder fahrlässig handeln. Die Behörden haben in den besonders gefährdeten Gebieten Wander- und Radfahrverbote erlassen. Lager- und Grillfeuer sind in dieser Jahreszeit ohnehin verboten. Sicherheitshalber patrouillieren Polizisten durch das knochentrockene südfranzösische Land. Die Fahndung nach mutmaßlichen Pyromanen ähnelt angesichts des riesigen Gebietes jedoch der Suche nach der berühmten Stecknadel in einem Heuhaufen.

Während die Flammen hochschlagen, entwickelt sich in Paris eine Polemik über den Mangel an Vorsorgemaßnahmen der Regierung. Die FNSPF, eine Berufsvereinigung, die von sich sagt, sie habe einen Großteil der französischen Feuerwehr in ihrer Mitgliederkartei, wirft der Regierung vor, sie habe „viel zu spät“ mit der Vorsorge gegen die Waldbrände begonnen und „viel zu spät“ die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt. „Diese Regierung, wie auch die vorausgegangenen“, so erklärt der Vizepräsident der SNPF, Richard Vignon, „hat eine kurzfristige und rein kaufmännische Vision von der zivilen Sicherheit.“ Das Innenministerium in Paris wies die scharfe Kritik gestern kategorisch zurück. Ein Sprecher: „Es gibt kein Defizit, weder bei Sachmitteln noch beim Personal.“

Umweltministerin Roselyne Bachelot hingegen gab eine „Verspätung“ bei der Waldbrandbekämpfung zu. In einem Radiointerview sagte sie gestern, dass die 1995 beschlossene Umsetzung der Pläne zur Sicherung von Wohnraum gegen Waldbrandgefahren bislang nur schleppend vorangekommen ist. Im Var, einem der beiden hauptbetroffenen Départements, verfügt bislang keine einzige Gemeinde über einen solchen Plan. Bachelot gab auch zu, dass die Landflucht und der Rückzug der Landwirte die Wandbrandgefahr massiv erhöhen. „Die ländliche Versteppung“, sagte die Umweltministerin, „ist ein Brandfaktor.“

DOROTHEA HAHN