„Wahlalternative ist ein schlichtes Anti-Bündnis“

Michael Müller, Fraktionsvize der SPD, hält die Initiatoren der Linkspartei für Populisten, die an Vergangenem festhalten

taz: Herr Müller, könnte die geplante Linkspartei der SPD bei den kommenden Landtagswahlen Stimmen abtrotzen ?

Michael Müller: Natürlich kann sie das. So wie es die Gefahr eines rechten Populismus gibt, den die CSU in der Vergangenheit immer abgegriffen hat, so besteht diese Gefahr auch im linken Spektrum. Aber Neuorganisationen sind noch keine Antwort auf inhaltliche Fragen. Und da lebt dieses neue Bündnis in der Vergangenheit.

In den Forderungen aber ist das Linksbündnis gegenwärtig: Rücknahme der Sozialreformen, höhere Vermögens- und Unternehmenssteuern.

Diese Forderungen in Verteilungsfragen gründen aber auf Strukturen, die heute erodiert sind: Nationalstaat, Flächentarifvertrag, hohes Wachstum. Man kann nicht von Globalisierung reden, aber dann Antworten geben, die im Kern an den Herausforderungen der Globalisierung vorbeigehen. Das neue Bündnis ist ein schlichtes Antibündnis.

Die neuen Linksbündnisse sprechen Verteilungsfragen deshalb an, weil das passiert ist, wovor Globalisierungskritiker warnen: Die Unternehmen zahlen weniger Steuern, die Gegensätze zwischen Arm und Reich verschärfen sich.

Sicher ist es eine der Schlüsselfragen, zu mehr Verteilungsgerechtigkeit zu kommen. Aber um dahin zu gelangen, muss man die Voraussetzungen dafür schaffen. Mit traditionellen Wachstumsmechanismen können die Probleme heute nicht mehr gelöst werden. Abgesehen davon, dass Sie ganz praktisch bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat beispielsweise eine neue Vermögenssteuer gar nicht durchbringen würden.

Was wäre denn für Sie eine befriedigende Antwort der SPD auf die neuen sozialen Fragen?

Eine Antwort scheint mir zu sein, dass man die Ideen eines neuen Fortschritts, moderner Arbeit, die Ausgestaltung der Wissensgesellschaft und ähnliche Punkte voranstellt. Wir haben heute weltweit einen angelsächsisch dominierten Wall-Street-Kapitalismus, der dem sozialen Interessenausgleich unter den gegebenen Strukturen keinen Raum mehr lässt. Dem müssen wir ein europäisches Sozialmodell entgegensetzen. Aber das kann sich eben nicht nur am Gestern orientieren. Wir müssen uns fragen: Was ist denn in der globalisierten Welt unser Erfolgsmodell? Was ist da möglich? Diese Debatte muss ins Zentrum.

INTERVIEW: BARBARA DRIBBUSCH