Brummis müssen erst später zahlen

Die Lkw-Maut wird nun doch verschoben, weil die Technik noch nicht ausgetestet ist. Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe: Bis November gibt es einen Probebetrieb, bei dem die Gebühr nicht abgerechnet wird. Bund verliert Milliardeneinnahmen

aus Berlin HANNA GERSMANN

Die Autobahnmaut für Lkw kommt pünktlich, aber nicht richtig: Das System soll zwar wie geplant am 31. August installiert werden, zur Kasse gebeten werden die Spediteure aber erst ab November. Das erklärte Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) gestern nach dem Hin und Her der letzten Tage. „Wir haben uns mit dem Betreiberkonsortium auf eine zweimonatige aktive Einführungsphase geeinigt, in der das System von den Nutzern real auf Herz und Nieren getestet werden kann.“ Ab dem 2. November werde man dann beginnen, die Mautgebühren einzuziehen. „Und dann setzen auch die Sanktionen ein.“

Ab diesem Zeitpunkt werden von allen Lastwagen über 12 Tonnen, nach Achslast und Schadstoffausstoß gestaffelt, im Schnitt 12,4 Cent Gebühr pro gefahrenem Autobahnkilometer erhoben. In den letzten Tagen waren die Befürchtungen aus Spediteurs- und Logistikverbänden immer größer geworden, dass die technischen Herausforderungen nicht bis zum geplanten Termin bewältigt werden können. Während ihre Vertreter einen Aufschub forderten, hatte der Betreiber des Mauterfassungssystems, das DaimlerChrysler-Telekom-Konsortium TollCollect, jedoch erklärt, der Zeitplan werde eingehalten – auch wenn es „knapp werden“ könne. Bis gestern hatte Stolpe diese Einschätzung geteilt und gesagt: Wenn dem so sei, werde die Maut auch pünktlich erhoben.

Die Verschiebung kommt die rot-grüne Bundesregierung teuer zu stehen: Sie kostet den Bund pro Monat gut 160 Millionen Euro, die Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) längst im Haushalt verplant hatte. Wie die Koalition nun mit den Einnahmeausfällen umgehen will, war gestern noch unklar. TollCollect muss keine Vertragsstrafen zahlen, soll sich aber mit Stolpe darauf geeinigt haben, sich mit 63 Millionen Euro an den Kosten zu beteiligen.

Neben den technischen Problemen hatte es in den letzten Tagen auch aus einem anderen Grund Zweifel am Einhalten des Plantermins gegeben: Wegen der geplanten Ausgleichszahlungen an deutsche Spediteure eröffnete EU-Verkehrskommissarin Loyola de Palacio ein Prüfverfahren. Sie will untersuchen, ob es sich dabei um unerlaubte staatliche Beihilfen handelt. Anders als Stolpe vertritt sie die Ansicht, dass das Verfahren aufschiebende Wirkung haben müsse.

Eine ganz andere Art der unerlaubten Beihilfen sieht Hans-Jochen Luhmann, Verkehrsexperte des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie. Er kritisierte gegenüber der taz: „Der geplante Autobahn-Maut-Rabatt für schadstoffarme Lkw ist nicht in allen Fällen gerechtfertigt.“ Die Lkw der Klassen Euro 2 und 3 hielten die Stickoxid-Emissionsgrenzen zwar auf dem TÜV-Prüfstand ein. Auf der Straße stießen sie aber mehr Schadstoffe aus als erlaubt. Luhmann stützte sich dabei auf eine gemeinsame Untersuchung der Umweltministerien aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und den Niederlanden.

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