Viel Vergnügen mit dem Tand

Die mailändischen Design- und Architekten-Brüder Francesco und Allessandro Mendini haben eine spannende Schauen und Shoppen-Ausstellung in der Kestner Gesellschaft Hannover gestaltet

Es ist wie in der Eisdiele: Ein giftiges Grün, ein wiesiges Grün, ein angedunkeltes Rosa, ein schummriges Hellblau, ein leichtes Lila. An den Wänden der altehrwürdigen Kestner Gesellschaft in Hannover regiert derzeit das Pastellene. Ein bisschen Pistazie, eine Kugel Amarena, ein Bällchen Minze. Gelato-Zeit. „Die Farbe kann alles ändern: Stellen sie sich mal den Eiffelturm in rosa vor. Das wäre doch was“, sagte Francesco Mendini bei der Eröffnung von „Mendini & Mendini: Layout“, der mittlerweile dritten Ausstellung von Jahresgaben aus 75 Jahren Kestner Gesellschaft.

Francesco und Allesandro Mendini, die brüderlichen Maestri aus Mailand, haben die Farben ihrer Ausstellung selbst designt – und viele Stücke ihres Schaffens beigesteuert. Sie mögen den Tand, sie spielen gerne in ihren Objekten. Zugleich sind die Architekten und Designer mit der Schau an einen ihrer Schaffens-Orte zurückgekehrt. Unweit der Kestner Gesellschaft steht die mendinisch-bizarre gelb-schwarz-gewürfelte Straßenbahnhaltestelle am Steintor (1994), gerade rollen die Bagger für den Bau des neuen Bürohauses des Madsack-Verlages – auch dessen Entwürfe sind um die Ecke gedacht, auch dieses wird die charakteristischen, funktionslos-goldenen Türmchen tragen.

Architekten mögen beim Namen Mendini vor allem an die Stazione Termini in Rom oder an ihren schrägen Bau auf der Museumsinsel in Groningen denken. Davon sind in der Kestner Gesellschaft nur Fotos, Grafiken und Animationen zu sehen. Im Vordergrund stehen jedoch ihre Design-Klassiker: der damenförmige Korkenzieher „Anna G“, die mädchenhafte Pfeffermühle „Anna Peper“ oder „Anna Light“, ein Feuerzeug in Medusenform.

Die Objekte sind allerdings nur der spannende Rahmen für die so genannten Jahresgaben. Das sind die Geschenke, die die Kestner Gesellschaft einmal jährlich zu Vorzugspreisen an ihre Mitglieder abgibt. Nach einem Dreivierteljahrhundert räumt Kestner jetzt die Archive. So ist rund um die Mendinis ein patchworkiger Mix zu sehen – und sogar zu bisweilen sagenhaften SSV-Preisen zu erstehen: derzeit rund 100 Stück, Öl, Grafik, Skulptur und Lithografie sind dabei. Den Lichtdruck „Ehepaar“ von Tomi Ungerer gibt’s für 140 Euro, einen buntgetupften Spiegel aus der „Proust“-Serie der Mendinis für 700, die Fotoarbeit „Conducting the night“ von Rebecca Horn für 1.800 Euro.

„Was ist Ware? Was ist Kunst?“, fragte Kestner-Chef Veit Görner und sieht im Schauen- und Shoppen-Mix eine spannende „Dialektik der Dinge“. Zum Glück dauert die Schau länger als der schnöde, letzte Sommerschlussverkauf. Kai Schöneberg

Kestner Gesellschaft, Hannover, täglich außer montags 10 bis 19 Uhr, donnerstags 10 bis 21 Uhr, bis 12. Oktober