Spaß im Spa

Freizeitwerte in der großen Stadt (Teil 5): Schwitzen wird zum Lifestyle, wenn der Monatsbeitrag fürs Fittnessstudio teurer ist als eine Wohnung mit Ofenheizung. Ein Einblick in die Champions League der Muckibuden

Jede Kurve rasant, jede Fläche hart wie ein Backstein: Gewinner-Silhouetten eben

von JENNI ZYLKA

Ach Mitte, mein Mitte. Im schnieken Ambiente voller Neu-Berlinern, Power-Touristen und hoffnungsvollen Geschäftsleute müssen die Körper zu den frisch renovierten Gebäuden passen. Ganz einfach: Schnell ein paar hundert in Turnschuhe investiert und ab ins exklusive Fitnessstudio, längst nicht mehr nur für Sport, sondern dank Pool-Whirlpool-Sauna-Bereich auch für schwammige Anglizismen wie „Wellness“, „Lifestyle“ und „Relaxation“ zuständig.

Im komischen Quartier 205 am Gendarmenmarkt, in dem die hässlichste Schrottskulptur der Stadt zu Hause ist, hat vor einiger Zeit „Holmes Place“ eröffnet, ein „Lifestyle Club“ mit riesigem Kursangebot und fast so vielen internationalen Filialen wie McDonald’s. Schlappe 332 Euro kostet die Aufnahmegebühr, und in den durchschnittlich 125 Euro Monatsabo sind alle Kurse, die Benutzung aller Bereiche und zwei blütenweiße Handtücher mit drin. Im ersten Stock schwitzen und treten Menschen auf zahllose Geräte ein, machen dreimal 15 Wiederholungen am „Butterfly“ oder am Schenkelspreizer, und gucken dazu auf einer lange Fernseherreihe die nachmittägliche Emergency-Room-Staffel oder die Börsennachrichten auf n-tv.

In Studio eins, vor einem wandgroßen Spiegel, gibt Diana gerade eine Body-Shape-Stunde: „Mit und ohne Zusatzgeräte wird der ganze Körper trainiert“, erklärt das Infoblatt. Diana trägt einen lustig hüpfenden Wedding-Zopf und ein Headset-Mikro, und stellt sich wie eine Generalin mit dem Rücken vor die Gruppe mittelalter Frauen und Männern. Dann knallt der Beat, und Diana marschiert los: Im Rhythmus stechschreitet die Truppe an die Front. „Up, up, tief, tief“ mit den Beinen. „Single up“, was auch immer das ist. Dann Gummibänder dehnen. Dann Bauch-ups. Dann noch mal marschieren.

Wie, will die Generalin etwa aufhören? Geht es schon zurück ins Lager? Das waren gerade mal fünfzig Minuten, da fängt der Spaß doch erst an! Der Truppe mangelt es an Moral, so scheint es. Dabei soll doch jede Kurve rasant und jede Fläche hart wie ein Backstein werden. Gewinner-Silhouetten eben. Im Studio nebenan gibt’s später Feldenkrais, benannt nach dem Erfinder der Methode und momentan äußerst beliebt bei Sinnsuchern und Ganzheits-Freaks: „Durch Selbstwahrnehmung werden Haltungsgewohnheiten erkannt oder verändert.“

Eine Susanne lässt die Gruppe sich auf den Boden legen, und wandert leise plaudernd im abgedunkelten Raum herum. Den Arm soll man ausstrecken, die mittlere Position finden, in der das Schulterblatt den Boden berührt, eine halbe Stunde lang. In der zweiten halben Stunde der zweite Arm. Etwas für Geduldige, für lächelnde Grundschulpädagoginnen etwa, Ungeduldige nehmen schnell nur Langeweile wahr.

Die neue Körperhaltung schmeißt man zum Abschluss kopfüber in den kleinen, eleganten Pool im Erdgeschoss. Oder besser noch in den Kochtopf: Neben dem Bassin brodelt warmes Wasser in einem kleinen Jacuzzi, und wenn man darin herumplanscht, kann man zusammen mit den anderen Millionären pantomimisch eine Eierstichsuppe darstellen.

Aber auch andere Studios haben hübsche Spas. Und unglaubliche Aussichten: Aus dem „Club Olympus“, dem Fitnessoratorium über dem Grand Hyatt am Potsdamer Platz, kann man quasi bis ins Ghetto gucken, also bis dahin, wo Menschen einfach laufen gehen, wenn sie sich ertüchtigen wollen, oder einfach Fahrrad fahren. Die Dame an der Rezeption schenkt einem ein hübsch geschnürtes Päckchen aus Bademantel, Handtuch und Schlappen in one size fits all, und schon geht’s in den kleinen, feinen Fitnessraum mit den üblichen Martergeräten.

Dann lächelt Yee-Man Kwok, und man darf sich in ihrem Qi-Massage-Raum unter dem Handtuch nackicht auf eine Liege legen, das Gesicht in einem extraweichen Gesichtloch versenken und die Hände an einer kleinen Frotteeschaukel festkrallen. Frau Kwok massiert mit Shiatsu- und Qi-Griffen den Rücken, die Arme, Beine, Hände und Füße, hin und wieder scheint sie geheime Körperknöpfe zu finden, die sie drückt, damit das Qi wieder anständig strömen kann.

So regelt und lenkt die asiatische Schutzpolizistin anderthalb Stunden lang sanft den Energieverkehr. Um die 100 Euro kostet der Spaß, obwohl Frau Kwok gar nicht auf einem herumspaziert, wie man es aus Gangsterfilmen kennt. Ob es mehr Spaß macht, große Füße und breite Rücken zu behandeln, als kleine Pfötchen? Nein, lächelt Frau Kwok unergründlich, die Punkte seien überall die gleichen. Spielverderberin.

Möchte man Olympus-Mitglied werden, sind 255 Euro fällig, die monatliche Gebühr für eine Mitgliedschaft liegt zwischen 150 und 183 Euro, dafür kriegt man in einigen Stadtteilen eine kleine Ofenheizungswohnung, in anderen einen Cappuccino, aber das sei nur mal am Rande erwähnt. Was braucht man Ofenheizung und Cappuccino, wenn man in weißen Bademänteln über den Dächern Berlins herumschlappen und sich so hervorragend das Qi durchnudeln lassen kann. Die Mitglieder werden mit Namen begrüßt, das ergibt ein perfektes Clubfeeling, fast stört schon die Amerikanerin, die einfach so als Hotelgast, per Tagesticket (60 Euro) vermutlich, mitsamt Leggins und T.–C.-Boyle-Roman in Richtung Pool schlurft: Wer ist die denn überhaupt? Doch bestimmt keine Konzernchefin, Filmmogulin, Chefredakteurin. Bei der stimmt auch das Qi nicht, das sieht man gleich. Wahrscheinlich gibt die später den Bademantel und die Schlappen nicht zurück. So eine ist das.