Betriebsunfall ist repariert

Nach dem dritten Aufstieg des SC Freiburg in die Bundesliga ist der Klassenerhalt das erklärte Ziel. Gegen ein bisschen mehr hat jedoch niemand etwas einzuwenden, auch Trainer Finke nicht

aus Freiburg CHRISTOPH KIESLICH

Heute nimmt der SC Freiburg in Leverkusen den dritten Anlauf in der Bundesliga. Muss man sich deshalb Sorgen machen? Ganz und gar nicht! Blühender und glänzender denn je kommt er zurück von der Ehrenrunde über Lübeck und Burghausen. Zum zweiten Mal nach 1998 haben zuverlässige Techniker einen Betriebsunfall Abstieg sauber repariert und dabei noch den Kostenvoranschlag eingehalten. Chapeau.

Selbst die große Dürre dieses Sommers haben sie im Breisgau ohne Schaden überstanden. Satt ist das Grün in Mösle- und Dreisamstadion dank Greenkeeper Albert Melcher, einer der wertvollsten Personalakquisitionen der vergangenen Jahre (ablösefrei von Bayer Leverkusen). Und während die Saison dräute, haben es die Freiburger so gehalten, wie sie es immer gemacht haben seit 1993, als das Wunder Bundesliga geschah. Sie ducken sich ein bisschen hinter den anderen und machen sich kleiner, als sie eigentlich sind. „Einfach nur Klassenerhalt“, sagt Achim Stocker, seit 1972 Vorsitzender des Sport-Club und so etwas wie der Verfechter des Minimalismus.

„Es ist Unsinn zu sagen, wir stehen vom ersten Tag an im Abstiegskampf“, widerspricht Volker Finke. Der ist seit 1991 SC-Trainer, aber kein Freiburger, sondern Niedersachse, und unterliegt schon qua Herkunft nicht dem badischen Skeptizismus: „In der Bundesliga gibt es für sieben, acht, vielleicht sogar zehn Mannschaften keine Garantien.“ Ein unglücklicher Start, Verletzte, ein paar knappe Spiele, die allesamt schief gehen – schon hat man den Salat.

Volker Finke ist der erste Trainer der Bundesligageschichte, der es geschafft hat, mit dem selbem Verein dreimal aufzusteigen, was er für genauso nebensächlich erachtet wie die Tatsache, dass ihm nur nur noch knapp zweieinviertel Jahre fehlen, um den Rekordtrainer Otto Rehhagel (492 Spiele auf der Bank von Werder Bremen zwischen 1981 und 1995) zu überholen. Anfang Oktober 2005 ungefähr wäre es soweit. Mit Wetten, dass Volker Finke sich dann in ein Häuschen – sagen wir: in der Provence – zurückgezogen hat, oder gar den FC Porto trainiert, sollte man vorsichtig sein.

Portugal wäre immerhin keine schlechte Adresse, um sich ab und zu an gepflegtem Fußball zu delektieren. Dort unter anderem hat sich Volker Finke einst seine Inspiration dafür geholt, was inzwischen in Deutschland unter dem Begriff Freiburger Kurzpassspiel zu einem Qualitätssiegel geworden ist. Weiter nördlich wurden pädagogische Überzeugungen geprägt und im Westen des Kontinents, in Frankreich, Anregungen für die Förderungen von jungen Begabungen gesammelt. Das ganze mündete in der Freiburger Fußballschule, in die der SC eine Menge jenes Fernsehgeldes gesteckt hat, das anderswo in den Rachen von Spielern, Vermittlern und bezahlten Vorständen geworfen wurde.

„Wir müssen ein Ausbildungsverein sein“, sagt Volker Finke und sieht auf diesem Gebiet die einzige Chance, mit den Großen der Branche in echte Konkurrenz zu treten. Das geht auch mit einem 24-Millionen-Euro-Budget, das zwar zu den allerkleinsten der Liga gehört, dafür aber hochseriös kalkuliert ist. Bei der Dauerkartennummer 18.500 haben die Freiburger den Verkauf gestoppt, damit sich auch noch Laufkundschaft für den Sport-Club interessieren kann. „Sold out“ wird es deshalb wieder oft im Dreisamstadion heißen.

Das Publikum bekommt auch im 13. Finke-Jahr keine Hochkaräter präsentiert. „Wir haben zwar keine Schulden, aber glauben die Leute wirklich, wir könnten jemanden bezahlen, der in der Bundesliga gerade erfolgreich gespielt hat?“, sagt der Trainer. Das hat neben dem Spar- auch einen erzieherischen Effekt: In Freiburg gibt es keinen öffentlichen Druck, der in der Branche gerne für blinden Aktionismus bemüht wird. Hier hat man sich entwickelnde Spieler wie sich findende Mannschaften mit einer Geduld zu begleiten, die nicht mehr sonderlich verbreitet ist.

Der fußballerische Auftrag bleibt der gleiche: Taktische Disziplin, aber aus den Freiheiten, die das Freiburger Spiel beinhaltet, gefälligst etwas machen. Der Kader gibt das her, findet der Trainer, „in der Breite haben wir noch mehr Qualität“. Man darf gespannt sein auf neue Stürmer wie Ellery Cairo oder Wilfried Sanou. Selbstbewusst und leidenschaftlich soll die Mannschaft versuchen, über Kombinationen zu Torchancen zu kommen. „Dann“, ist Volker Finke überzeugt, „holen wir auch genügend Punkte.“