Angelos Charisteas
: Der Gyros-Bomber von Lissabon

Die sprachmächtigen Jungs vom Bremer Lokalteil der Bild-Zeitung haben es schon immer gewusst: „Gyros-Bomber“ pflegen sie im martialischen Stil des Boulevards den Werder-Stürmer Angelos Charisteas zu bezeichnen, der am vergangenen Sonntag mit seinem Treffer im EM-Finale gegen Portugal Griechenland in den Fußball-Olymp geschossen hat. Im Weserstadion konnte man über diesen „Ehrentitel“ in der vergangenen Saison allerdings nur müde lächeln: Charisteas’ Torraumaktionen glichen, wenn er überhaupt einmal zum Einsatz kam und nicht auf der Ersatzbank schmorte, weniger Bomben als recht jämmerlichen Rohrkrepierern.

Umjubelt wurden der durchgeknallt-geniale Torschützenkönig Ailton, das junge Talent Nelson Valdez oder – wie etwa beim Meisterschaftstriumph in München – der Mann mit dem knackigsten Werder-Hintern, Ivan Klasnic. Angelos Charisteas hingegen trat in Bremen zurückhaltend, bisweilen fast scheu auf, auf dem Platz agierte er eher unglücklich. Von den Mitspielern wird Charisteas – sprich: Haristeas – „Harry“ gerufen. Trainer Schaaf, so wird kolportiert, soll ihm bei seiner Verpflichtung gesagt haben: „Dein Vorname ist zu lang, dein Nachname ist zu lang. Wie sollen wir dich nennen?“

Ausgerechnet dieser Harry-Schlaks also, der in der letzten, für Werder so großartig verlaufenen Bundesliga-Saison so oft frustriert auf der Bank saß, hat jetzt das „Wunder von Lissabon“ vollbracht. Es war die 57. Minute im Estadio da Luz zu Lissabon. Mit seinem 1:0 köpfte der 24-jährige Grieche mit dem schon latent schütteren Haarschopf seine Elf zum Sieg, trieb die Portugiesen in die Melancholie und erhob den Ex-Bremer Fußball-Lehrer Otto Rehagel endgültig in den Rang eines (altklugen) griechischen Gottes.

Nach seinem Treffer im Viertelfinale gegen Frankreich hatte sich Charisteas das Trikot über den Kopf gezogen und trotzig ein Unterhemd mit der Aufschrift „Micoud“ präsentiert – die Rache des Kumpels dafür, dass Frankreichs Trainer die Werder-Diva nicht in die Nationalmannschaft berufen hatte. Dieses Mal nun prangte auf Charisteas’ T-Shirt ein Foto seines Neffen Dimitris.

Im vereinseigenen Fragebogen auf der Werder-Homepage hatte der schlaksige Grieche als seinen „größten Traum“ noch bescheiden angegeben: „Teilnahme an der EM 2004“. Damals konnte er nun wirklich nicht ahnen, dass die FAZ ihm einmal den Ehrentitel „Helmut Rahn Griechenlands“ verleihen würde. „Nächste Saison will ich spielen“, verlautbarte Charisteas im Überschwang der EM-Gefühle schon einmal in Richtung seines Trainers Thomas Schaaf. Wie man jedoch den sturen Coach kennt, der dem Vernehmen nach in der Kabine regelmäßig „zur Bulldogge“ wird, ist dem das einigermaßen schnuppe. Bei Schaaf spielt nur der, der „Leistung anbietet“. Ob er Europameister ist oder nicht.

Markus Jox