Werbung, bitte!

Auf der Telemesse in Köln geht es den Sendern um den Verkauf ihrer Werbezeiten – und dafür lassen sie auch in Krisenzeiten einiges springen

aus Köln MARTIN WEBER

Eine Geschäftsführerin eines Fernsehsenders, die in einer durchsichtigen Kugel von der Decke schwebt. Der in jedweder Hinsicht megamäßige Dieter Bohlen. Orchestermusiker, die einem überraschend in den Rücken tröten. Subwoofer, Dolby-Surround-Gedöns und Soundmaschinen verschiedener Bauart. Nicht zu vergessen natürlich allerlei dienstbeflissenes Mietpersonal, das allerlei Häppchen reicht. Herzlich willkommen auf der Telemesse, der fantastischen Verkaufsshow für Werbezeiten im Farbfernsehen!

Anke Schäferkordt heißt die Frau, die von oben kommt, und wenn sie gerade mal nicht mit Schweben beschäftigt ist, ist sie die Geschäftsführerin von Vox. Als solche trägt sie einen roten Hosenanzug, der ausgesprochen prima zu dem roten Ball im Vox-Senderlogo passt. Ebenso stimmig ist das, was sie zum Vox-Programm im nächsten Jahr zu sagen hat. Man werde wieder auf vorzügliche US-Serien setzen und habe ein paar ganz tolle frisch eingekauft. Potzblitz, Donner und Granaten! Wer hätte das gedacht bei dem Sender, der mit der neurotischen Juristin Ally McBeal seinen bisher größten Erfolg einheimsen konnte. Immerhin: Mit „Six Feet Under“, einer im Bestattungswesen angesiedelten Sitcom, scheint ein ganz brauchbarer Neueinkauf dabei zu sein. Untertitel: „Gestorben wird immer.“

Möglicherweise ist der Tod ganz nah, schießt es einem am Stand von Viva und Viva Plus durch den Kopf. Das Fachpersonal, das die Macher von Dieter Gornys Dudelfernsehen aufgeboten haben, strahlt nicht zwingend Kernkompetenz aus, ruft aber beim Betrachter unmittelbar Mitleid hervor: Bei den zwei studentisch anmutenden jungen Menschen – er mit „Callboy“-T-Shirt, sie mit „Callgirl“-Leibchen – würde man sofort ein paar Werbezeiten blocken. Aber dafür reichen die 20 Euro im eigenen Geldbeutel bei weitem nicht aus.

Also rübergezappt zur ProSiebenSat.1MediaAG. Dort: janz jroooßes Kino! Noch mehr Subwoofer, noch mehr Kawumm, Budenzauber und Firlefanz. Zwar hat Sat.1 im Jahr 2002 einen beachtlichen Vorsteuerverlust von 98 Millionen Euro eingefahren, aber Geschäftsführer Martin Hoffmann ist trotzdem zufrieden. Erträglich wird die ganze Chose erst, als die Sendergruppe ein paar Stars auflaufen lässt. Die No Angels trällern „Someday“, das Orchester trötet, dann kommen Oliver Kalkofe und – na klar – Harald Schmidt. Kalkofe analysiert messerscharf und sagt knallhart, was Sache ist: „Powered by emotion“ war früher, heute gilt „Driven by desparation“. Derweil Harald Schmidt, the Godfather of kluges Farbfernsehen, seinen Arbeitgeber durch den Kakao zieht. Vom „Marktführer der Herzen“ parliert Schmidt, apostrophiert Sat.1 als die „IG Metall des deutschen Fernsehens“ und appelliert an den Teamgeist: „Wir ziehen doch alle am selben Strang – und in diesen Zeiten hängt jeden Tag ein anderer unten dran.“

Eine gelungene Veranstaltung muss man – jawohl! – auch dem ZDF attestieren. Neumodischer Schnickschnack ist die Sache der Mainzer naturgemäß nicht, statt Latte Macchiato gibt’s Kaffee, Dosenmilch und Streuselkuchen – und eine im Stil einer klassischen Butterfahrt von Barbara Schöneberger mit feiner Ironie moderierte Verkaufsshow. Im Angebot: eine Wolldecke mit Mainzelmännchen-Logo. „Die gibt’s in einem frischen Betongrau, passend zur Haarfarbe unserer Zuschauer“, schnattert Schöneberger, läuft zwischen die Bierbänke ins Publikum und erklärt das weitere Procedere. „Machen Sie sich schon mal mit dem Produkt vertraut, Sie da mit der crazy Entscheiderbrille – ich komm dann gleich vorbei und kassiere.“ Hätten wir der alten Tante aus Mainz gar nicht zugetraut, so eine Präsentation.

Was bleibt, ist das schlimmste Screening der Telemesse: das von RTL. Ohne Not machten der Mahrhansi und der Zeilergerhard mehr Wind als eine ganze Ventilatorenfabrik – „Döööss mer Marktführer sind, wissen Sie ja eh“ –, die nächste Staffel „DSDS“ droht, und zu allem üblen Überfluss ist der wesentliche Programminhalt von RTL in den kommenden Jahren der noch immer sehr doofe Dieter Bohlen. Sein Debütroman wird 2004 als „Dieter – der Film“ in Comicform fürs Kino verwurstet, „und nur 18 Monate später sehn S’ dööös dann bei uns im Fernsehen“, verkündet stolz der Zeilergerhard. Pfui Spinne, was für eine schreckliche Drohung, denken wir und lassen hilflos auch noch acht der zehn Schrecklichen aus der ersten DSDS-Staffel samt Bohlen am Flügel über uns ergehen. „We Have A Dream“, singen die, und hernach wird tatsächlich unser Traum wahr: Ende, aus, Schluss.