Berliner zeigen unterirdisches Stilgefühl

In Ghana wird ein Autohändler schon mal im Holzmercedes beerdigt. Doch auch hierzulande kommen individuelle Bestattungen in Mode. Eine Ausstellung im Berliner Dom und bei Dussmann zeigt Särge aus vier Jahrhunderten

Den letzten Gang muss ein wohlhabender Autohändler in Ghana nicht ohne seinen Mercedes tun. Die Fahrerkabine ist von innen mit weißen Spitzengardinen ausgekleidet, die den Toten verdecken. Der Rest des Gefährts besteht aus Holz. Die Ghanaer glauben, dass die Verstorbenen allgegenwärtig sind und man sich deshalb immer an sie erinnern soll. Mit einem schönen Sarg bereiten sie ihnen einen ehrwürdigen Abgang. Der Autohändler hat mit dem Mercedes sein Glück gemacht im Leben. Also begleitet er ihn auch ins Grab.

Einige der ghanaischen Särge sind seit ein paar Tagen im Berliner Dom und im Kulturkaufhaus Dussmann zu sehen. Mit Unterstützung des Museums für Sepulkralkultur – also schlicht: Begräbniskultur – in Kassel und des Bestattungsunternehmens Ahorn-Grieneisen werden unter dem Titel „Totenruhe – Totentruhe“ Särge aus vier Jahrhunderten gezeigt.

„Wir wollen dazu beitragen, dass das Thema Tod in unserer Gesellschaft enttabuisiert wird“, sagt Reiner Sörries, der Direktor des Museums für Sepulkralkultur. Die Spanne der Ausstellungsstücke reicht von einem mit Engelsköpfen bemalten Sarg eines Adligen von 1766 bis zu einem aerodynamischen Modell des Designers Luigi Colani.

Die ghanaische Tradition wirkt auf Deutsche erst einmal befremdlich. Doch auch in unseren Breitengraden gibt es einen Trend zur Individualisierung der Bestattungen. „Immer mehr Menschen wollen in einem Sarg begraben werden, der ihrem Leben entspricht“, sagt Rolf-Peter Lange, Sprecher von Ahorn-Grieneisen. Viele würden einen unbehandelten Holzsarg kaufen, um ihn selbst gestalten zu können. „Kinder malen für die Oma ein letztes Bild auf das Holz. Schwule legen die Regenbogenfahne darüber“, erzählt Lange. Manche denken pragmatisch und verwenden ihren Sarg zu Lebzeiten als Weinregal.

Schick begraben zu werden ist nicht ganz billig. Ein in Blau-Grau gehaltener Designersarg, wie er bis Ende Juli bei Dussmann zu sehen ist, kostet zirka 3.000 Euro. Eine Nachfrage dafür gebe es jedoch durchaus, berichtet Lange.

Sargpflicht in Deutschland

Schon immer konnten sich nur die Reichen einen aufwändig gefertigten Sarg leisten. Die normalen Bürger wurden bis vor 200 Jahren in Leinen, Matten oder geteerten Säcken ins Grab gelegt. Nur zum Transport wurde eine Kiste benutzt, die man auch Ausschütttruhe nannte, da sie nach unten aufgeklappt werden konnte. So fiel der Tote direkt in die Grube, wo er begraben wurde. Der Nachteil: Je nach Bodenbeschaffenheit bekam der Leichnam wenig Sauerstoff und verweste nur langsam. Auch aus Angst vor Seuchen wurde im 19. Jahrhundert in den deutschen Staaten nach und nach eine Sargpflicht eingeführt, die bis heute mit wenigen Ausnahmen gilt.

Für Juden ist diese Regelung ein Problem. Denn traditionell beerdigen sie ihre Toten in Leichentüchern. Der Körper soll Kontakt mit der Erde haben und, wie es in der Bibel steht, wieder zu Staub werden. Auch Muslime bestatten ihre Toten eigentlich nicht in Särgen. In Europa behelfen sie sich wegen der Sargpflicht mit einfachen Holzkisten.

In der Ausstellung „Totenruhe – Totentruhe“ sind die so genannte jüdische Kiste und der muslimische Sarg in ihrer Schlichtheit eine angenehme Alternative zu den aufwändigeren, christlichen Exemplaren.

ANTJE LANG-LENDORF

„Totenruhe – Totentruhe“: Moderne und ghanaische Särge sind bis 31. Juli im Kulturkaufhaus Dussmann zu sehen, historische Särge bis zum 19. September in der Gruft des Berliner Doms