EU-Wirtschaftshilfe erzürnt Zyperngriechen

EU will das Embargo gegen den türkischen Norden aufheben – für die Regierung in Nikosia ein Affront. Sie fürchtet um ihren Alleinvertretungsanspruch und will gegen die Aufwertung der nicht anerkannten Republik Nordzypern klagen

BERLIN taz ■ Zwischen der griechischen Republik Zypern und der Europäischen Union bahnt sich ein Konflikt über die wirtschaftliche Hilfe für die türkischen Zyprioten im Norden der Insel an. Noch in dieser Woche will die EU das jahrzehntealte Embargo gegen Nordzypern beenden. Die Regierung des EU-Neumitglieds Zypern sieht darin eine Aufwertung der international nicht anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern“ und droht mit einem Gang vor den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg.

Schon seit ihrer Aufnahme am 1. Mai hält sich die Freude der zyperngriechischen Regierung über ihre lang ersehnte EU-Mitgliedschaft in gewissen Grenzen. Sollte Europa ursprünglich als Katalysator für die zyperngriechischen Interessen im Konflikt mit der Türkei um die Teilung der Insel dienen, so herrscht nun in Nikosia der Eindruck vor, Brüssel unterstütze einseitig die Positionen Ankaras. Das begann mit der EU-Verordnung zur vollständigen Reisefreiheit zwischen Nord- und Südzypern Anfang Mai, die von der Regierung Papadopoulos nur mit einem gewissen Widerwillen umgesetzt worden ist. Bis heute behalten sich die Zyperngriechen die Einführung von Geldstrafen für Personen vor, die „illegal“ über den türkischen Norden auf die Insel gereist sind.

Entrüstung haben in Nikosia die Pläne der EU ausgelöst, das internationale Embargo gegen Nordzypern zu beenden. Danach soll der direkte Handel über alle Häfen und Flughäfen ermöglicht werden. Die EU greift dabei dem Vernehmen nach auf den Artikel 133 der Römischen Verträge zurück, der Handel mit Drittstaaten und -territorien regelt. Die zyperngriechische Seite argumentiert, dass diese Regelung nicht auf Nordzypern zutreffe, weil dieses völkerrechtlich Teil der Republik Zypern sei. Tatsächlich sind in Nordzypern, das 1974 von türkischen Truppen besetzt worden ist, die EU-Verträge nur ausgesetzt.

In Wahrheit geht es aber weniger um juristische Winkelzüge als um einen handfesten politischen Streit. Die EU möchte ähnlich wie Washington die Wirtschaftsbeziehungen zu den Zyperntürken verbessern, weil man diese für ihr Ja zu den Wiedervereinigungsplänen belohnt sehen will. Ebendiese Pläne waren im April am Widerstand der griechischen Bevölkerung und ihres Präsidenten Papadopoulos gescheitert. Der wiederum hatte zuvor versichert, ihre Ablehnung des auch von Europa vehement unterstützten Plans werde keine negativen Konsequenzen haben – eine offensichtliche Fehleinschätzung.

Nun fürchtet die Republik Zypern eine massive Aufwertung des Nordens – und damit verbunden ein Ende des eigenen Alleinvertretungsanspruchs für die gesamte Insel. In den Medien spricht man von einer Taiwanisierung: der faktischen Anerkennung des Landes ohne eine diplomatische.

Anders als zuvor, als Nordzyperns damaliger starker Mann Rauf Denktasch als Verhinderer einer Friedenslösung galt, sind es nun die griechischen Zyprioten, denen der Wind entgegenweht. „Viele Zyperntürken stellen jetzt infrage, ob die Zyperngriechen wirklich dazu bereit sind, mit ihnen zusammen zu regieren“, erklärte der US-Botschafter in Nikosia, Michael Klosson, in der vergangenen Woche. Ähnlich urteilte UN-Generalsekretär Kofi Annan in seinem Bericht zur gescheiterten Konfliktlösung – und erntete damit offenen Protest aus Nikosia.

Zugleich erfuhr Nordzyperns Premier Talat bei Besuchen in Washington und London Aufwertung. Trotz Protests der Griechen wurde er vergangene Woche vom britischen Außenminister Jack Straw empfangen, der ihm wirtschaftliche Hilfen versprach. Die griechischen Bemühungen für eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche blieben dagegen bisher auffallend erfolglos. KLAUS HILLENBRAND