GESPRÄCHE ZUM ATOMPROGRAMM: NORDKOREA UND USA SCHINDEN ZEIT
: Keine gute Nachricht

Man wünschte, es wäre eine gute Nachricht: Zum ersten Mal, seit sich Anfang der 90er-Jahre die Gerüchte über ein nordkoreanisches Atomwaffenprogramm verdichteten, wollen alle sechs betroffenen Länder gemeinsam verhandeln. Ziel ist ein nuklearfreies Korea, mit dabei sind die Hauptkontrahenten Nordkorea und USA sowie China, Russland, Südkorea und Japan. Das klingt gut und ist derzeit doch ausweglos. Denn sowohl Pjöngjang als auch Washington missbrauchen den Verhandlungsweg als Feigenblatt, um ihre Konfrontationsstrategien zu kaschieren.

Beide Seiten wollen Zeit gewinnen. US-Präsident George Bush, weil das Pentagon im Irak noch alle Hände voll zu tun hat. Diktator Kim Jong Il, weil jeder Tag, an dem das im Frühjahr neu gestartete Wiederaufarbeitungsprogramm läuft, die nordkoreanische Atomdrohung ein bisschen glaubwürdiger macht. Der eine will also seine Abschreckungsfähigkeit steigern und der andere seine Angriffsfähigkeit zurückgewinnen.

Noch an dem Tag, an dem die Verhandlungen angekündigt wurden, hielt der amerikanische Nordkorea-Beauftragte John Bolton in Seoul eine Rede voll persönlicher Anschuldigungen gegen Kim – ganz nach der Art, wie man in Washington bisher über Saddam Hussein redete. Pjöngjang wird sich also weiter zu Bushs „Achse des Bösen“ rechnen.

Undankbar ist deshalb die Aufgabe der Mittlerländer. Diesmal war es China, das mit einer für das Land ungewöhnlichen Reisediplomatie zwischen Pjöngjang und Washington die Verhandlungen auf den Weg brachte. Doch wusste Kim, was er tat, als er seine Zustimmung zu Gesprächen über Moskau bekannt geben ließ: Der Mittler sollte nicht an Gesicht gewinnen. Am wenigsten zu beneiden ist Seoul: Hier ist die Regierung ständig bemüht, eine eigenständige Entspannungspolitik für die Halbinsel zu formulieren, ohne je angehört zu werden.

Und so läuft nun alles darauf hinaus, dass Nordkorea am Ende Atomwaffen besitzt, und die Vereinigten Staaten sich dennoch zum Losschlagen gezwungen sehen. GEORG BLUME