Zu stromlinienförmig

Vorzügliche Interpreten, weniger überzeugende Werke: Die Konzerte mit Arbeiten des „Composer in residence“ Matthias Pintscher stellten bei den Sommerlichen Musiktagen in Hitzacker kaum Höhepunkte dar

Zu einem anregenden Erlebnis wurden die um Pintschers Arbeiten herum gruppierten Werke

Das Städtchen Hitzacker hat mit seinen Sommerlichen Musiktagen, soeben zum immerhin 58. Mal durchgeführt, eine lange Tradition vorzuweisen. Bewusst auf diese setzt der neue Intendant Markus Fein, aber genauso auf Erneuerung. Ein wesentlicher Aspekt der Tradition ist es, dass ein „Composer in residence“ benannt wird. Dieses Jahr war das Matthias Pintscher (taz berichtete), womit sich Fein den wahrscheinlich bekanntesten (inländischen) Komponisten seiner Generation angeln konnte.

Im Rahmen zweier Konzerte ließ sich nun in Hitzacker ein klangliches Bild vom kammermusikalischen Schaffen Pintschers verschaffen. Dabei verstärkte sich ein bereits in früheren Konzerten gewonnener Eindruck: Dieser Komponist betreibt sein Handwerk als ein intellektuelles, das stark vom Kopf gesteuert ist und letztlich auch so klingt. Seine Musik geht – bei aller Bewunderung für sein brillantes technisches Können – nicht unter die Haut. Sie verströmt Distanz und Kühle; sucht zwar keineswegs anbiedernd den Konsens mit dem Hörer, hat aber auch kaum Ecken und Kanten. Sie wirkt stromlinienförmig und dabei manchmal, pardon, geradezu nichts sagend.

Pintschers Klangerkundungen haben ihren unbestreitbaren Reiz, aber sie haben nur selten künstlerische Überzeugungskraft, dafür umso häufiger wenig Dichte und noch weniger Originalität: Die innere Konsequenz seines Schreibens vermittelt sich schwer. Dazu kommt, dass sich bei Pintschers Arbeiten für kleine Besetzungen immer wieder der Eindruck aufdrängt, Ähnliches von anderen Komponisten bereits intensiver gehört zu haben. Die beiden Pintscher-Tage wurden also nicht zu den vielleicht intendierten Höhepunkten der diesjährigen Sommerlichen Musiktage. Allerdings hatte die Widmann-Uraufführung tags zuvor auch reichlich hohe Maßstäbe gesetzt.

Zu einem anregenden Erlebnis wurden jedoch die um die Pintscher-Kompositionen herum gruppierten Werke: Salvatore Sciarrinos Gesualdo-Adaptionen faszinierten durch ihre Sinnlichkeit und ihre schwebende Leichtigkeit bei äußerster Ausdrucksintensität ebenso wie Hans Werner Henzes Being Beauteous mit der wunderbaren Sopranistin Claudia Barainsky.

Dass Luciano Berios Volksmusik-Transformationen Folksongs in ihrer Mischung aus bezaubernder, betonter Natürlichkeit und – wiederum – intellektuellem Anspruch kleine Meisterwerke sind, war von vornherein klar. Dass Nina Amon und das Ensemble Modern diese Musik so serenadenhaft leicht über die Rampe bringen können, war indes keineswegs zu erwarten. Umso schöner, dass dies gelang.

REINALD HANKE