Schulschiebereien in Südbremen

Die SPD-Schulpolitik hat in den letzten Jahren verhindert, dass in der Neustadt wieder ein attraktives durchgehendes Gymnasium entsteht. Jetzt soll die BSAG den Schülern den Weg nach Huchting ebnen

Bremen taz ■ Das wichtigste Papier, mit dem Schulleiter Wolfgang Kuhlmann in den letzten Wochen gearbeitet hat, ist ein Auszug aus dem Fahrplan der BSAG. Wo in Bremen bitteschön ist die „Delfter Straße“ und wie kommt man dahin, das ist die Frage. Die Antwort der BSAG: Vom Friedhof Woltmershausen aus sind es genau 34 Minuten, zweimal umsteigen inklusive.

Das Problem, das die BSAG lösen soll, ist eines der Schulpolitik. Kuhlmann leitet das „Schulzentrum Neustadt“, das ist eine gymnasiale Oberstufe in der Delmestraße. Der Standort in der Ecke Friedrich-Ebert-/Neuenlander Straße liegt eigentlich gut: auf jeden Fall zentral. Seit dem Jahr 2000 haben alle Gremien der Schule einhellig gefordert, dass hier ein durchgängiges Gymnasium entstehen soll, damit Neustädter Schüler, die ein durchgängiges Gymnasium besuchen wollen, nicht zu Dutzenden über die Weser Richtung Innenstadt flüchten müssen. Manche der Lehrer der Delmestraße kommen von dem ehemaligen Gymnasium Leibnizplatz, das die sozialdemokratische Bremer Schulpolitik vor Jahren geschlossen hatte. Inzwischen hat sich die Gesamtschule dort etabliert, das Kollegium der Delmestraße wollte einen gymnasialen Ersatz für die Neustadt neu entstehen lassen. Das setzte die CDU aber nicht gegen die SPD durch.

Dann kam vor einem Jahr die Wende mit dem Koalitionsbeschluss, die Orientierungsstufe abzuschaffen, den gymnasialen Regel-Bildungsgang auf 12 Schuljahre zu verkürzen und für die Gesamtschulen eine eigene Oberstufe einzurichten. Klar war für Schuleiter Kuhlmann: Oberstufenzentren wie seines, das den Schülern einen Schulwechsel nach der 9. Klasse zumutet, haben in dem neuen System wenig Chancen im Wettbewerb mit durchgehenden Gymnasien.

Im vergangenen Herbst fielen die Würfel dann von einem Tag auf den anderen neu: In dem Gebäude Delmestraße sollte die Oberstufe für alle Gesamtschulen entstehen. Die bestehende Oberstufe Delmestraße musste weg. Zuerst sollte sie nach Huckelriede ziehen in ein Schulzentrum zusammen mit der Wilhelm-Kaisen-Schule. Als sich im März herausstellte, dass die Wilhelm-Kaisen-Schule aber nur Anmeldungen für eine einzige Gymnasial-Klasse hatte, teilte Willi Lemke telefonisch mit, dass das geplante große Schulzentrum dort nicht gebaut werde.

Kuhlmann schaltete schnell um. Er traf sich noch im März mit seinem früheren Stellvertreter und derzeitigen Schulleiter-Kollegen Jürgen Hildebrand vom Gymnasium in der Delfter Straße in Huchting, um die Fusion seiner Schule mit der in der Delfter Straße zu verabreden.

Nun sollen, das ist die Folge der bildungspolitischen Immobilienschieberei, die Schüler aus der Neustadt nach Huchting fahren anstatt umgekehrt. Ein breites Angebot von „Profilen“ für die Oberstufe soll die gemeinsame Schule attraktiv machen. Was bleibt, ist eine kulturelle Schranke: Den Weg aus Huchting in die Neustadt oder den Weg aus der Neustadt zu den Innenstadt-Schulen kennt jeder – wie aber erklärt man einem Bremer, wo Huchting liegt?

Kuhlmann will deshalb ein Kooperationsabkommen mit dem Schulzentrum in Woltmershausen abschließen, um den Übergang zu erleichtern. Kein Problem, sagt der dortige Schulleiter Wolfgang Berg. Es bleibt ein Problem: „Der Weg“. Da muss eben der Fahrplan der BSAG helfen. Mit der BSAG soll auch verhandelt werden, um eine noch schnellere Verbindung zu schaffen, steht in dem Entwurf einer Kooperationsvereinbarung der beiden Schulen. Und dann soll für das neue Gymnasium ein neuer Name gefunden werden, ein richtig attraktiver. Einer, der vergessen macht, dass es um eine gewisse Delfter Straße geht.

Klaus Wolschner