Hertha verschiebt Bundesliga-Start

Mit einem 0:3 gegen Werder Bremen versemmelt Hertha den Saisonstart bemerkenswert: Die Bremer stoßen durch eine zerschlissene Abwehr wie Neutrinos durch Materie. Und als würde das nicht reichen, bricht sich Marcelinho noch den Mittelfuß

„Natürlich war das Scheiße – oder sehen Sie das anders?“

von MARKUS VÖLKER

Der Sinn des Uefa-Intertoto-Cups, kurz UI-Cup, erschließt sich nicht unbedingt auf den ersten Blick. Es gibt Skeptiker, die halten diesen Versuch, einen Fußball in das Sommerloch zu pfropfen, für ein höchst überflüssiges Unternehmen, andere, der SV Werder Bremen zum Beispiel, werden künftig ein Loblied auf diesen Pausenfüller singen.

Nicht nur, dass er ihnen noch die Qualifikation für den Uefa-Cup bescheren könnte, vielmehr hat die jüngste Niederlage gegen das österreichische Team aus Pasching einen geradezu kathartischen Erweckungsprozess der Grün-Weißen initiiert. Werder hatte gegen den austriakischen Meisterschafts-Sechsten zwar mit 0:4 verloren, die Nachwirkungen dieser Schlappe aber bekam Hertha BSC Berlin am Samstag zu spüren.

Im Berliner Olympiastadion vor gut 40.000 Zuschauern war nichts mehr zu sehen von jener an Arbeitsverweigerung gemahnenden Spielauffassung, die die Bremer gegen Pasching darboten. Im Gegenteil, Werder zeigte sich kämpferisch, griff forsch im Mittelfeld an, postierte zwei klassische Spitzen (Ailton und Charisteas) im Angriff und belieferte die Stürmer mit den im Mittelfeld eroberten Bällen. Das klappte hervorragend, zumal Hertha, offenbar benebelt von der Nachrichtenlage aus dem UI-Cup, die Taktik verkannte und, zumindest zu Beginn der Partie, zwei Bewacher aus der Viererkette leichtsinniger- und fatalerweise nach vorn beorderte.

Die Überschätzung der eigenen Fähigkeiten hatte zur Folge, dass Bremen die gegnerische Abwehr immer wieder so zerschlissen antraf wie das immer noch im Umbau befindliche Olympiastadion. Micoud, Ailton oder Charisteas schossen durch die Verteidigung wie Neutrinos durch Materie. Die kleinen Teilchen kennen bekanntermaßen kein Hindernis, selbst Granit durchdringen sie behände. Ähnlich widerstandslos kamen dann auch die drei Tore zustande: mit einer 0:3-Heimniederlage startete Hertha BSC somit in die Saison, und nicht nur Verteidiger Dick van Burik vermieste dieses unerwartete Ergebnis gehörig die Laune. Die Zuschauer verließen das Stadion schon nach dem 0:3 (Ailton, 65.) in Scharen. Angesprochen auf den verpatzten Start, patzte Van Burik zurück: „Natürlich war das eine Scheiße, ein Scheißanfang – oder sehen Sie das anders?“. Es fand sich niemand in der Kontaktzone zwischen Spielern und Journalisten, der das anders sah.

„Schlechter geht es nicht, deshalb kann es nur besser werden“, orakelte Gabor Kiraly verschwiemelt, der ungarische Torwart, der die Angriffswellen der Bremer über sich ergehen lassen musste. Und es kamen einige auf ihn zu. Werder-Coach Thomas Schaaf kam dann noch in die Verlegenheit festzustellen, dass seine Mannschaft in der Chancenverwertung zu nachlässig gewesen sei: „Es hätte noch das eine oder andere Tor fallen können.“

Hertha-Trainer Huub Stevens war dieser Fakt nicht entgangen, er hatte ihn auf seiner langen Mängelliste registriert. „Wenn man alles erwähnen müsste, was heute schief gegangen ist, müsste man zwei Stunden erzählen“, sagte er. Stevens sah von dieser ausführlichen Spielbeschreibung ab und beließ es bei den üblichen knappen Worten. Der größte Fehler sei gewesen, dass sein Team von Anfang an nicht die nötige Aggressivität gezeigt habe: „Keiner, wirklich keiner, der die Leistung heute gebracht hat“, einschließlich der neuen Spieler, Kovac, Bobic und Wichniarek. „Auch Ausfälle“, beschied Stevens.

Hinzu kam die Verletzung von Marcelinho, der angeschlagen ins Spiel ging, kurz vor der Halbzeit umknickte und mit einem Mittelfußbruch nun mindestens acht Wochen ausfällt. „Das ist ein herber Verlust“, sagte Stevens. Das fand auch Fredi Bobic, der seinen Einstand als missraten darstellte. „Ich habe einen Rotz gespielt.“ 90 Minuten hatten ausgereicht, um Herthas fixe Ideen scheitern zu lassen. Niko Kovac offenbarte die Pläne der Blau-Weißen. „Wir haben gedacht, wir kriegen einen guten Start und vielleicht eine Serie hin – das hat ja leider nicht geklappt.“ Und das alles wegen Pasching und dem daraus resultierenden Wiedergutmachungsdrang der Bremer. „Das Spiel gegen Werder war unser Pasching“, sagte Kovac.

Und Manager Dieter Hoeneß meinte: „Ich hoffe jetzt, dass die Bundesliga losgeht und die Vorbereitungsspiele vorbei sind.“ Am Sonntag beim VfB Stuttgart beginnt sie dann also endlich, die Bundesliga-Saison von Hertha BSC Berlin.