Bierschwemme auf 1,8 Kilometern

Das „Bierfestival“ in Friedrichshain gilt als Eldorado für alle, die Gerstensaft zu schätzen wissen. In diesem Jahr reichte die Palette vom Kirschbier bis zum „Odin-Trunk“ – letzterer lockte allerdings ein weniger angenehmes Publikum an

Am Frankfurter Tor markierten Polizeiautos den Anfang der längsten Biertheke Deutschlands, offiziell auch „Internationales Berliner Bierfestival“ genannt. Die siebente Promillemeile, genau 1,8 Kilometer lang, war ein voller Erfolg: Über 400.000 Menschen strömten von Freitag bis Sonntag an mehr als zweihundert Ausschänken vorbei durch die Karl-Marx-Allee.

Am Ende, dem Straußberger Platz, stehen vorsichtshalber Krankenwagen in Bereitschaft. Zu Recht. Bei subtropischen Temperaturen und 1.650 Biersorten blieben Kreislaufprobleme und Volltrunkenheit nicht aus.

Doch Begleiterscheinungen wie im letzten Jahr, tätliche Angriffe auf die körperliche Unversehrtheit von Besuchern, gab es diesmal kaum. Es kam zu keinen nennenswerten Übergriffen alkoholisierter Halbstarker und rechtsradikaler Saufkumpane.

Dass letztere den Geschmack edler Biersorten zu schätzen wissen, ist bekannt. Die anwesenden Skinheads suchten die Nähe einer bei ihnen beliebten Marke, deren Name offensichtlich Programm ist: „Odin-Trunk“, das Germanenbier. Vor dem Stand des Gebräus sammelten sich auch dieses Mal über hundert Trinker der besonderen Art – angetan mit Glatze, Stiefeln und einschlägiger Folklore.

Letzte Jahr versprach Lothar Grasnick, der Geschäftsführer des Organisators Präsenta GmbH, das solle sich ändern: „Wir werden Odin-Trunk nicht mehr einladen“, hieß es damals. Doch es blieb bei der Ankündigung. „Wir haben aber einen anderen Standort gewählt – mehr in der Öffentlichkeit. Krawallmacher bleiben so unter den Augen aller Besucher.“ Ohne Zweifel, selbst gutwilligen Blicken blieben die martialischen Kurzhaarigen nicht verborgen.

Schade, denn das Festival lockte mit interessanten Bieren. Dass sich Fertig-Cocktails in Flaschen vor allem an Teenager gut verkaufen, belegen steigende Absätze der süßen Mischgetränke. Bisher griffen die Getränkehersteller zu allerlei Mixturen aus Rum und Wodka. Am Wochenende dagegen wurden unzählige Kreationen aus Hopfen und Malz angeboten. Beispielsweise „Caiman“. Es soll kein gewöhnliches Bier sein, wurde deshalb mit Caipirinha versetzt und hebt sich mit 5,5 Prozent Alkohol auch durch seine Wirksamkeit von herkömmlicheren Sorten ab.

Wenige Meter weiter konnte Serengeti-Bier aus Tansania gekostet werden. An der Weberwiese gab es hanfhaltiges „Red Canny“ und koffeinreiches „Bibop“ ein Schwarzbier, das mit Cola und dem Wachmacher Guarana versetzt ist. Klassiker wie „Roter Oktober“ gerieten neben modischen Bieren, wie dem australischen „Two Dogs Lemon Brew“, fast schon in Vergessenheit. Besonders beliebt war eine andere Spezialität. Dabei gehörte „St. Louis“ – ein belgisches Kirschbier – mit 4,5 Prozent zu den harmloseren Marken. Doch betrunken wurden einige auch davon. HANNES HEINE