Karriere-Diplomat mit Post-Waldheim-Bonus

Österreichs Staatsoberhaupt Thomas Klestil liegt im Sterben. Während seiner 12-jährigen Amtszeit versuchte er sich als moralische Autorität zu profilieren. Morgen soll sein Nachfolger, der Sozialdemokrat Heinz Fischer, vereidigt werden

WIEN taz ■ Die Chancen, dass Österreichs Bundespräsident Thomas Klestil das offizielle Ende seiner Amtszeit am Donnerstag noch erlebt, seien im Schwinden, erklärte Christoph Zielinski, der Chef des Ärzteteams, das sich um das erkrankte Staatsoberhaupt kümmert. Der 71-Jährige war Montag früh in seiner Villa zusammengebrochen und bereits klinisch tot ins Allgemeine Krankenhaus geflogen worden.

Die Ärzte konnten zwar sein Herz wieder in Gang bringen, mussten ihn aber in künstlichen Tiefschlaf versetzen, um weitere Organschäden zu verhindern. Lunge, Leber und Nieren sind praktisch nicht mehr funktionsfähig. Kardinal Christoph Schönborn spendete ihm Montag bereits die Krankenölung. Morgen soll sein Nachfolger, der am 25. April gewählte Sozialdemokrat Heinz Fischer, vereidigt werden.

Klestil wird als der Mann mit der finsteren Miene in die Geschichte eingehen: als jener Bundespräsident, der sich seinen Widerwillen bei der Vereidigung einer Regierung nur allzu deutlich anmerken ließ. Das war am 4. Februar 2000, als Wolfgang Schüssel sein erstes ÖVP-FPÖ-Kabinett vorstellte. Klestil wusste, das Ausland würde die Regierungsbeteiligung der Haider-Truppe mit Unverständnis beobachten.

Immerhin konnte er zwei besonders extremistische Gestalten von der Ministerliste streichen. Dass er auch vor der Neuauflage der schwarz-blauen Koalition im März 2002 öffentlich seine Präferenzen für andere Farbenkombinationen kundtat, schadete aber seiner Autorität.

Thomas Klestil wollte mehr mitreden, als sein Amt erlaubte. Die Verfassung weist ihm in erster Linie protokollarische Aufgaben zu. Als moralische Autorität, die er gerne dargestellt hätte, wurde er zumindest die letzten Jahre nicht ernst genommen. Die ÖVP, die ihn 1992 nominiert hatte, betrachtete ihn nicht mehr als einen der ihren. Außenministerin Benita Ferrero-Waldner machte es zum Prinzip, ihre Auslandsreisen nicht mit ihm zu koordinieren. Für FPÖ-Politiker war Klestil ein Hassobjekt.

Als sich der Karrierediplomat vor zwölf Jahren in der Stichwahl überraschend gegen den Sozialdemokraten Rudolf Streicher durchsetzte, konnte er nicht viel falsch machen. „Allein dass der österreichische Präsident nicht mehr Kurt Waldheim hieß, sprach von Anfang an für ihn“, resümiert der Schriftsteller Doron Rabinovici in der Zeitschrift profil.

Klestil hatte als Nachfolger des ehemaligen UNO-Generalsekretärs und Wehrmachtoffiziers die Aufgabe, Österreichs Ruf im Ausland wiederherzustellen. Das gelang ihm auch. Als Generalkonsul in Los Angeles (1969–1974) und später Verantwortlicher für internationale Organisationen und Konferenzen wusste er sich auf dem diplomatischen Parkett zu bewegen. Nicht nur das gespannte Verhältnis zu den USA wurde normalisiert. In Israel bekannte er sich als erster österreichischer Präsident zur Mitschuld Österreichs am Holocaust. Die mitteleuropäischen Nachbarn lud er zu regelmäßigen Treffen ein, lange bevor sie EU-Mitglied wurden.

Pressekonferenzen gab das Staatsoberhaupt selten. Dafür pflegte er die Kontakte zum Boulevard. Hans Dichand, den mächtigen Chef der auflagenstarken Kronen-Zeitung, empfing er regelmäßig in der Hofburg. Die Trennung von seiner ersten Frau Edith zelebrierte er detailreich in einem Hochglanzmagazin. Seine Ehe mit der Außenamtsmitarbeiterin Margot Löffler war Gegenstand der Recherchen von Skandaljournalisten. Schon vor acht Jahren wäre Klestil einem mysteriösen Lungenleiden fast erlegen. Auch damals musste er in künstlichen Tiefschlaf versetzt werden, erholte sich dann aber so gut, dass er sich entschloss, 1998 zur Wiederwahl anzutreten. RALF LEONHARD