Ermittlungen gegen Pharmafirmen

US-Anwaltschaft nimmt Gutachten für Medikamente aufs Korn. Branche soll zur vollständigen Offenlegung ihrer Praktiken gezwungen werden. Psychopillen werden in den USA viel an Kinder und Jugendliche verschrieben

NEW YORK taz ■ Im Kampf gegen angeblichen Betrug in der Pharmabranche hat sich der New Yorker Staatsanwalt Eliot Spitzer einen neuen Konzern vorgeknöpft. Diesmal geht es Forest Laboratories an den Kragen. Der Pillengigant aus New York muss Spitzer Informationen über seine Test- und Marketingpraktiken vorlegen. Im Auge hat Spitzer das Antidepressivum Celexa, das von Ärzten nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kinder und Jugendliche verschrieben wird. Mit seinem Feldzug will Spitzer die Branche zur vollständigen Offenlegung ihrer Praktiken zwingen. Noch herrscht große Geheimniskrämerei.

Erst vor einem Monat hat der rührige Staatsanwalt eine Klage gegen den britischen Konzern Glaxo Smith Kline eingereicht. Der Vorwurf: Der Konzern soll Studien unterdrückt haben, die gezeigt hätten, dass das Antidepressivum Paxil auf Kinder und Jugendliche keine große Wirkung habe. Außerdem stehe das Mittel im Verdacht, bei jungen Patienten Selbstmordgedanken zu wecken. Glaxo behauptet, die Firma sei unschuldig.

Antidepressiva wie Celexa und Paxil sind Renner, die in den USA schon seit Jahren ohne die ausdrückliche Genehmigung der Aufsichtsbehörde für Kinder und Jugendliche verschrieben werden. Das Verschreiben liegt im Ermessen der Ärzte, falls sie glauben, dass ihre Patienten durch die Einnahme dieser Medikamente schneller gesund werden. Sollte sich herausstellen, dass Forest Laboratories Informationen über die Wirksamkeit seiner Pille wider besseres Wissen unterdrückt hat, müsste das Unternehmen mit einer Klage von Spitzer rechnen. Laut der New York Times hat Forest Laboratories vor einem Monat eine Studie über Celexa in einer Fachzeitschrift veröffentlicht, die positive Ergebnisse bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen gezeigt hat – allerdings ohne dem Journal mitzuteilen, dass es noch eine zweite Studie gibt, die zu einem negativen Ergebnis gekommen ist. Ein Hinweis darauf sei im vergangenen Oktober nur in einem dänischen Lehrbuch veröffentlicht worden.

Zudem musste Forest Laboratories vor einer Woche zugeben, dass erste Ergebnisse einer Studie des Antidepressivum Lexapro zeigen, dass das Mittel bei Kindern und Jugendlichen keine besser Wirkungen als ein Placebo habe. Dabei sollte Lexapro Celexa ersetzten, da die Laufzeit des Patents für die Pille abläuft.

Forest behauptet, die Firma sei unschuldig, und sagt, dass sie mit Spitzer kooperiert. Die negative Studie sei nur deshalb nicht erwähnt worden, weil es keine veröffentlichten Hinweise gebe, die man zitieren konnte.

Unter der Leitung von Howard Solomon hat sich Forest Laboratories in den letzten Jahren zu einem Liebling der Wall Street gemausert. Der 76-Jährige, der seit 27 Jahren an der Spitze des Unternehmens steht, gehört laut Forbes Magazine zu den zehn best bezahlten Chefs in Amerika. Im vorigen Jahr hat er über 36 Millionen Dollar verdient.

Inzwischen wird der Druck auf die Pharmabranche immer größer. Amerikanische Ärzte kritisieren die Geheimniskrämerei der Pillenhersteller schon lange. Jetzt fordert die American Medical Association, eine Vereinigung von Ärzten, dass die US-Regierung eine Datenbank aufmachen soll, auf der alle Testergebnisse gespeichert werden. Nur so könnten sich Ärzte über Medikamente ein Bild machen und die besten Mittel zur Behandlung ihrer Patienten verschreiben.

HEIKE WIPPERFÜRTH