Schalke kreiselt wieder

Bundesligarückkehrer Jupp Heynckes ist mit dem Spiel seiner Mannschaft zufrieden, auch wenn diese im Revierderby gegen Borussia Dortmund eine 2:0-Führung nicht über die Runden bringt

auf Schalke HOLGER PAULER

Die Geschichte war eigentlich schon geschrieben: Hamit Altintop, der jugendliche Held des Revierderbys, hatte in seinem ersten Bundesligaspiel überhaupt den BVB im Alleingang besiegt. Zwei wunderschöne Tore aus der zweiten Reihe waren ihm gelungen, die meisten Ballkontakte hatte er überdies. Zusammengefasst: Der neue Mittelfeldmann war Chef im Schalker Spiel und gewann das Duell gegen Dortmunds Tomas Rosicky deutlich. Es war wirklich ein perfektes Debüt für Altintop. Leider nur bis zur 89. Minute. Ab diesem Zeitpunkt war der Held mit dem kleinen, aber entscheidenden Zusatz „tragisch“ zu versehen. Einen recht harmlosen Roller von Dede fälschte Altintop in den Lauf von Marcio Amoroso ab – und der bedankte sich mit dem späten und nicht wirklich gerechten Ausgleich. Zwei zu zwei also endete das große Derby zum Saisonauftakt zwischen Schalke 04 und Borussia Dortmund.

Für den 20-jährigen Hamit Altintop dürfte es dennoch vorbei sein mit der Ruhe. Jahrelang kickte er mit seinem Bruder Halil in der Regionalliga bei der SG Wattenscheid – im Hinterhof Bochums. Oder besser: vor der Haustür Gelsenkirchens. Gerüchte über mögliche Wechsel gab es immer wieder, doch es hieß, das Brüderpaar sei nur im Paket zu haben – und dieses Risiko wollte niemand eingehen. Dann wechselte Halil vor der Saison nach Kaiserslautern – und Hamit blieb im Revier. „Ich würde auch für Madrid oder Dortmund spielen“, sagte er nach dem Spiel im Überschwang. Später und ernsthafter fügte er an, dass der Sprung in die Bundesliga groß – und die Konzentrationsschwäche kurz vor Schluss dem Substanzverlust zuzuschreiben sei. Immerhin habe er im „wichtigsten Spiel des Jahres“ zwei Tore gemacht. Dass er damit in die Schalker Annalen eingeht steht fest, auch wenn es nicht zum Sieg gereicht hat.

Acht der letzten zehn Derbys endeten Remis. Nichts Neues also? Von wegen! Das Ergebnis war wirklich die einzige Konstante in diesem Spiel. Ansonsten gab es neben der Altintop-Gala auch noch manch andere Premiere: Jupp Heynckes feierte sein Trainer-Comeback, nach über acht Jahren Bundesliga-Abstinenz – nur beinahe erfolgreich und dennoch erleichtert: „Ich bin mit dem Spiel meiner Mannschaft zufrieden, obwohl wir zwei Punkte verschenkt haben.“ Premiere II: Der erste wirkliche Ballkontakt von Dortmunds Neuzugang Flavio Conceicao führte direkt zum Anschlusstreffer. Für Guy Demel eingewechselt, legte sich Conceicao den Ball zum Freistoß hin und schlenzte ihn locker-leicht über die Mauer. Dortmunds Trainer Matthias Sammer hob hinterher die Körpersprache des Brasilianers hervor und verband damit einen Appell an seine Mannschaft: „Das kann man lernen.“ Seinen unter der Woche heftig kritisierten Torwart schloss er dabei ausdrücklich aus. Roman Weidenfeller debütierte nach dem Weggang Jens Lehmanns nun auch in der Bundesliga als echte Nummer eins und konnte überzeugen: Zwei Unsicherheiten bei Weitschüssen von Altintop – das war’s.

Auch das Spiel der Schalker ist mit dem der vergangenen Jahre kaum mehr zu vergleichen. Der brachiale Kraftfußball hat ausgedient, es gibt viele neue Ansätze. Hervorzuheben ist vor allem das schnelle Kurzpassspiel, angekurbelt durch die technisch und spielerisch starken Neuzugänge. Vor allem die linke Seite mit Nico van Kerckhoven und dem Ex-Freiburger Levan Kobiashvili harmonierte; gegenüber hielt der erst 18-jährige Edurdo Alcides, später mit Knieverletzung ausgeschieden, Gerald Asamoah, später mit roter Karte (90.) ausgeschieden, den Rücken frei. Und dazwischen wirkte Altintop als Fixpunkt des Spiels. Er wurde von seinen Mitspielern gesucht und gefunden, verschleppte das Tempo und kam häufig zum Abschluss. Lediglich die Spitzen Victor Agali und, vor allem, Ebbe Sand konnten davon (noch) nicht profitieren. Erst als gegen Ende des Spiels die Kräfte nachließen, verfielen die Schalker wieder in das Muster vergangener Tage: Lang geschlagene Bälle ohne Adressaten. „Wir müssen lernen, ökonomischer zu spielen“, sah auch Jupp Heynckes die Hauptursache im Kräfteverschleiß. Die Schalker jedenfalls bauten stärker ab als die abwartenden Dortmunder. Die spielten ihren Stiefel runter und waren damit am Ende erfolgreich.

Gewollt war das so allerdings nicht. „Wir haben während des Spiels zu wenig investiert“, zeigte sich Matthias Sammer mit der Spielweise seiner Mannschaft vor allem zwischen der 10. und 70. Minute nicht einverstanden. Das ist nicht sonderlich neu, man kennt das aus der Vergangenheit. Sein Team hätte da den Gegner nicht genug unter Druck gesetzt und zu Fehlern gezwungen, so wie es die Schalker vor beiden Toren gemacht hatten. „Dennoch“, stellte Sammer fest, „die Moral stimmt.“ Und noch etwas musste der Dortmunder Trainer loswerden: „Es freut mich, wenn ein junger Spieler wie Altintop derart auftritt, auch wenn es beim Gegner ist.“ Das Lob ging Sammer angesichts des späten Ausgleichs leicht über die Lippen.