DIE NEUEN US-VISAREGELN DISKRIMINIEREN VOR ALLEM LATEINAMERIKANER
: Einseitiger Freiheitsbegriff

Inwieweit diese Regelung die Sicherheit in den USA erhöht, ist zweifelhaft: Aus Sicherheitsgründen verlangt die Regierung Bush von nun an ein Visum auch von jenen Flugreisenden, die nur ein paar Stunden auf dem Transit in ein Drittland US-Territorium betreten. Terroranschläge sollen dadurch erschwert werden.

Nicht davon betroffen sind Passagiere aus 27 Ländern, vor allem aus Europa. Die Freizügigkeit der LateinamerikanerInnen jedoch wird weiter beschnitten: Vor allem Brasilianer, aber auch zehntausende Mexikaner, Kolumbianer oder Peruaner nutzten bislang jährlich die Befreiung vom Durchreisevisum. Sie entschieden sich aus Kostengründen für den Nordamerika-Transit und nahmen dabei oft demütigende Durchsuchungsmaßnahmen in Kauf. Jetzt haben sie die Wahl zwischen einem aufwändigen Umweg über ein US-Konsulat und einer teureren Flugverbindung.

Die neue Regelung ist ein weiteres Beispiel für den Überwachungswahn von George W. Bushs Heimatschutz-Ministerium, unter dem auch Studenten oder Flüchtlinge aus den Ländern des Südens besonders leiden. Parallel dazu berichtet die Presse immer öfter darüber, dass sich die US-Regierung über Privatfirmen persönliche Daten von tausenden Lateinamerikanern beschafft.

Wie auch in Fragen des Agrarhandels oder des Zugangs multinationaler Firmen zu Geschäften im Bereich öffentlicher Dienstleistungen vertritt Washington einen sehr einseitigen Freiheitsbegriff. Bei den Verhandlungen über die von den USA gewünschte Freihandelszone von Feuerland bis Alaska (FTAA) steht mehr Freizügigkeit für die BürgerInnen aus der südlichen Hemisphäre nicht auf der Tagesordnung.

Aus all diesen Gründen wird man in Lateinamerika, wo das Ansehen Washingtons durch den Irakkrieg weiter gesunken ist, die nun verhängte Visumspflicht für Transitpassagiere mit mehr Misstrauen als Verständnis sehen. Und als Bestätigung dafür, dass man auch als Angehöriger der einheimischen Ober- oder Mittelschicht vor Diskriminierung in den USA nicht gefeit ist. GERHARD DILGER