Die Angst vor dem Ausverkauf

In Elmshorn sollen die Bürger darüber entscheiden, ob ihre Stadtwerke in eine Aktiengesellschaft verwandelt werden. Grüne und attac befürchten Vernachlässigung öffentlichen Interesses sowie den Einstieg in den Verkauf von Tafelsilber

Ein Wettbewerber nimmt uns Kunden weg, und wir können uns nicht wehren

aus HamburgGERNOT KNÖDLER

Im schleswig-holsteinischen Elmshorn am Nordrand Hamburgs hat sich in der vergangenen Woche ein Aktionsbündnis für die Erhaltung der Stadtwerke als Eigenbetrieb gegründet. Die Initiatoren von attac und der Wählergemeinschaft Elmshorn (WGE/Die Grünen) wollen möglichst viele Wählerinnen und Wähler für einen Bürgerentscheid am 24. August mobilisieren. Dieser bietet die letzte Chance, die vom Stadtverordneten-Kollegium bereits beschlossene Umwandlung des städtischen Eigenbetriebs in eine Aktiengesellschaft zu verhindern. Dafür müssen sich 20 Prozent der Wahlberechtigten an der Abstimmung beteiligen und das Bürgerbegehren unterstützen.

Dem Beschluss des Stadtverordneten-Kollegiums vom 26. Juni zufolge sollen nach der Umwandlung der Stadtwerke mindestens 75 Prozent plus eine Aktie im Besitz der Stadt bleiben. Ein Aktienverkauf soll stets mit einer Kapitalerhöhung verbunden sein, so dass das frische Geld dem Unternehmen zugute kommt und nicht zur Sanierung des städtischen Haushalts verwendet werden kann. Fürs Erste wollen CDU, FDP und SPD, die den Beschluss tragen, nur zehn Prozent der Aktien verkaufen. Mit dem Geld soll ein Biomassekraftwerk finanziert werden.

WGE/Die Grünen wollen sich mit dem Beschluss nicht abfinden und haben den Bürgerentscheid beantragt. Ihr Fraktionschef Andreas Srogosz-Osnabrügge glaubt zwar auch, dass die Stadtwerke optimiert werden sollten. Dass dafür eine privatrechtliche Organisation nötig ist, hält er aber nicht für ausgemacht. Die Argumente, mit denen die jetzt geplante Umwandlung des „sehr gut florierenden Eigenbetriebs“ vorangetrieben wird, leuchten ihm nicht ein.

Bereits 1999 hatte die damals in der Minderheit befindliche CDU vorgeschlagen, den Eigenbetrieb in eine GmbH umzuwandeln: Auf liberalisierten Märkten für Strom, Gas und Wasser könne er nicht flexibel genug agieren. Die damals dominierende SPD lehnte das ab. Bürgermeisterin Brigitte Fronzek (SPD) erkannte beim Eigenbetrieb „erhebliche strategische Vorteile gegenüber einer GmbH“.

„Ich bin heute noch gegen eine Umwandlung in eine GmbH, weil damit immer große Tranchen an Mitbewerber verkauft würden“, sagt Fronzek. Eine Aktiengesellschaft hingegen biete die Möglichkeit, viele kleine Anteile gezielt an Kunden und Mitarbeiter zu verkaufen. „Gerade bei Stadtwerken und einer Stadt unserer Größe ist das eine feine Sache“, findet die Bürgermeisterin. Zwar könnten die Anteile weiterverkauft werden, doch seien diese nicht mit einem Stimmrecht verbunden und ihre Zahl überdies beschränkt.

„Es handelt sich lediglich um eine andere Rechtsform, nicht um eine Privatisierung“, beteuert Siegfried Golz (CDU), seit 25 Jahren Vorsitzender des Stadtwerke-Ausschusses. Ihm gehe es darum, die Stadtwerke für den härter werdenden Wettbewerb zu rüsten, sagt er und nennt ein Beispiel: „Ein namhafter Wettbewerber nimmt uns jetzt einen Kunden weg, und wir können uns nicht wehren.“ Eine AG dagegen könnte ihren Strom oder ihr Gas zum Ausgleich anderen Gemeinden anbieten. Sie müsse in der Lage sein, im Tagesgeschäft selbständig zu handeln. Bürgermeisterin Fronzek verweist in ihrer Stellungnahme darauf, dass beim Eigenbetrieb städtische Gremien nur bei den Grundsätzen der Unternehmenspolitik dem Jahresabschluss oder der Besetzung von hohen Leitungsposten mitzureden hätten.

Barbara Tewes von attac Elmshorn findet das beschlossene Modell zwar „ganz ok“. Sie befürchtet jedoch, die Prioritäten des Betriebs könnten sich verschieben: Bisher stehe die Versorgungssicherheit an erster Stelle. „Das macht sich bei einer hervorragenden Wasserqualiät bemerkbar“, sagt Tewes und trifft sich dabei mit Golz, der darauf verweist, dass die Stadtwerke jährlich 250.000 Euro in die Unterhaltung und Sanierung ihres Rohrnetzes steckten. Golz versichert, dass das so bleiben wird. Tewes befürchtet, das Geld könnte in private Taschen fließen.

In den Augen von Tewes und Srogosz-Osnabrügge erleichtert die Umwandlung einen scheibchenweisen Verkauf der Stadtwerke: zunächst der 25 Prozent minus einer Aktie, dann nach einer einfachen Satzungsänderung vielleicht weitere Aktien. Ein Eigenbetrieb, so Srogosz-Osnabrügge, könnte nur als Ganzer und unter großem politischem Aufwand verkauft werden.

Bürgermeisterin Fronzek verweist auf positive Erfahrungen anderswo. „Die Stadtwerke Kiel sind schon seit 100 Jahren eine Aktiengesellschaft“, argumentiert sie. 2001 hat Kiel 51 Prozent seiner Anteile an die Firma TXU-Europe verkauft.

Der Verband Kommunaler Unternehmen fördert die Umwandlung in AGs oder GmbHs. Es gebe eine „generelle Entwicklung vom Eigenbetrieb zur juristischen Person“, sagt Wolfgang Prangenberg vom Verband. Die Stadt könne dann nicht ins Tagesgeschäft des Unternehmens hineinregieren. Allerdings werde die Hürde für eine Beteiligung Dritter niedriger. 600 von 900 Stadtwerken in Deutschland sind privatrechtlich organisiert.

Das Aktionsbündnis trifft sich jeweils donnerstags um 19.30 Uhr im Weltladen Top 21 in Elmshorn