Immer schön cool bleiben

Ganz Berlin motzt über die Hitze. Jörg Dreikugler behält gerade wegen der Sonne einen kühlen Kopf. Seit Januar steht der Schneemann im Foyer der Technischen Fachhochschule – im Solarkühlschrank

von JAN ROSENKRANZ

30 Grad im Schatten lassen Schweiß in Strömen fließen. Ganz Berlin klagt über Hitze. Nur einer bleibt cool. Jörg Dreikugler, Student im ersten Semster, Schneemann im ersten Sommer. Seit dem 31. Januar steht er in einer umgebauten Kühltruhe und schaut durch ein eingebautes Glasfenster ins Foyer der Technischen Fachhochschule.

Auf der Wiese direkt vor der Tür hat der Düsseldorfer Künstler Jörg Jozwiak an einem verschneiten Wintertag dem klassischen Dreikugel-Schneemann das Leben geschenkt – und ihn für ein Jahr den Händen der Vergänglichkeit entrissen. Das ist natürlich nicht einfach Kunst, sondern, so der Künstler, „eine komische Begegnung im Alltag“. Ausgerechnet die Sonne – sonst natürlicher Feind aller Schneemänner und -frauen – lässt Dreikugler über den Sommer kommen. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach versorgt die mannshohe Kühltruhe mit Strom und sorgt somit für lebenserhaltene minus fünf Grad kalte Atmenluft.

Selbstverständlich also, dass Dreikugler auch im August seine rote Strickmütze trägt und um den Hals den roten Häkelschal. Die Eierkohlenaugen sind zwar schon leicht verdreht, der Zweigmund hängt am seidnen Faden, die Möhrennase ist verschrumpelt. Doch sonst geht es ihm trotz der Hitze draußen blendend.

Im Kühlschrank hat der Schneemann ohnehin ganz andere Sorgen: Gefrierbrand. Der Horror der Hausfrau kann nicht nur Steaks, sondern auch Schneemänner austrocknen. Weil im Kühlschrank nicht überall die gleiche Temperatur herrscht, kommt es zu Luftströmungen. An der wärmeren Oberfläche des Schneemanns verdunstet Wasser und kondensiert an der kühleren Kühlwand wieder zu Eis. Die Folge: Der Schneemann wird kleiner.

„Für sein Alter sieht Jörg noch enorm gut aus“, findet Volker Mank. Der Ingenier vom „Labor für konventionelle und erneuerbare Energien“ hat Dreikugler beim Überleben geholfen. Eine Woche lebt ein Berliner Schneemann durchschnittlich, vermutet Mank. Dieser hier lebt schon seit 24 Wochen. Das entspräche 1.752 Menschenjahren.

Seinen ersten Geburtstag feiert der Schneemann trotzdem erst am 31. Januar 2004. Dann darf er raus aus der Kühltruhe. Anlässlich der Finissage wird er wieder vor die Tür gestellt. Bis dahin hockt er weiter in der Truhe und erinnert Hitzenörgler an das Unvermeidbare: Der nächste Winter kommt bestimmt.