U-Bahn 5: Weiterbauen oder zurückzahlen

Bis Oktober muss der Senat Klartext reden, wann er das U-Bahn-Teilstück zwischen Pariser Platz und Alex bauen will. Tut er das nicht, will der Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags 128 Millionen Fördergelder wieder einsacken

Es ist nicht so, dass eine Achtelmilliarde komplett in den Sand gesetzt wäre. Fußball kann man etwa spielen im ungenutzten U-Bahnhof Reichstag, wo seit einem Jahr eine verlängerte Linie 5 halten sollte. Firma Nike nutzte ihn zur WM 2002 für eine unterirdische Kickaktion. Wenig später diente der Bahnhof als Bühne für „Angela – eine Nationaloper“. Dumm nur, dass die Rechnungsprüfer des Bundestags tatsächlich U-Bahnen sehen wollen, weil der Bund 128 Millionen Euro zuschoss. Bis Ende September gibt die zuständige SPD-Abgeordnete Brigitte Schulte Berlin noch Zeit, den Weiterbau zu datieren. Sonst gilt: Geld zurück.

„Berliner Größenwahn“, wettert der grüne Verkehrsexperte Michael Cramer noch immer über die U-5-Planung. 1994 verabredeten Bund und Land, die Linie zu verlängern: Sie sollte nicht mehr nur von Hönow bis zum Alex fahren, sondern bis zum Lehrter Bahnhof weiterführen und dabei das Regierungsviertel anbinden. Kanzlerbahn hieß das Projekt schnell, das der Bund zu 80 Prozent bezahlen wollte.

2002 sollte die Verlängerung abgeschlossen sein. Doch als der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) das Projekt 2001 gleich nach dem Ende der großen Koalition aus Kostengründen stoppte, war nur das Stück vom Lehrter Bahnhof bis zum Pariser Platz mit eben jenem Bahnhof Reichstag dazwischen fertig. Züge konnten nicht fahren – man hätte sie in Einzelteilen in die Tunnel tragen müssen.

Der Rechnungsprüfungsausschuss forderte schon 2002 vom Verkehrministerium, die Bundesgelder wieder einzusacken, wenn Berlin nicht weiter baut. SPD-Frau Schulte gibt der Behörde nun noch bis 1. Oktober Zeit, einen Bericht dazu vorzulegen. Im Ministerium hält man sich bedeckt, spricht von „intensiven Verhandlungen“ mit dem Senat.

Das Kuriose: Kaum mehr als jene 128 Millionen möglicher Rückforderung müsste Berlin für die komplette Verlängerung zwischen Lehrter Bahnhof und Alex zahlen, die rund 665 Millionen Euro kosten soll. Nach dem Vertrag von 1994 entfallen nur 20 Prozent oder 133 Millionen davon auf das Land. Abgeordnete Schulte hofft noch auf Weiterbau statt Investruine: „Alles andere wäre das reinste Schilda.“

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung beantwortete gestern eine taz-Anfrage zur U 5 nicht. Bei Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) mag man gar nicht bestreiten, dass das Land vertraglich verpflichtet ist. Eine formelle Rückzahlungsforderung liege aber nicht vor.

In der rot-roten Koalition gibt man sich am Weiterbau nicht sonderlich interessiert. „Wir brauchen die verlängerte U 5 nicht unbedingt, aus finanz- wie aus verkehrspolitischen Gründen“, sagt PDS-Verkehrsexperpertin Jutta Mattuschek. Gutachten hätten ergeben, dass zwei Drittel der möglichen Fahrgäste bereits die parallele S-Bahn benutzen und keine neuen Kunden wären. Im Koalitionsvertrag spielt die U 5 keine Rolle.

CDU-Experte Alexander Kaczmarek widerspricht dieser Darstellung – mit dem vom rot-roten Senat jüngst beschlossenen Stadtentwicklungsplan Verkehr. Darin heißt es: die U 5 würde „nicht nur Verkehr von anderen Linien umverteilen, sondern in relevantem Umfang auch Neuverkehr erzeugen“. Kaczmarek drängt auf Weiterbau. Der lasse sich durchaus finanzieren. Viel anderes – etwa eine Straßenbahn an der Bernauer Straße – laufe dann aber nicht mehr.

Derweil sucht man nach einer Zwischennutzung. Bei der BVG heißt es, man arbeite an Alternativvorschlägen. Das „Angela“-Gastspiel der Neuköllner Oper 2002 brachte zumindest einige zehntausend Euro Miete in die Landeskasse – nur noch ein paar 1.000 solcher Projekte, und der Senat könnte die 128 Millionen überweisen oder doch noch bauen. STEFAN ALBERTI