Zwischen Druck und Langeweile

Junge Frauen in Saudi-Arabien haben keinen einfachen Stand. Gesellschaftliche Normen verlangen eine frühe Heirat. Aber trotzdem sind viele von ihnen berufstätig

„Ich würde auch gerne einen passenden Partner finden, aber bitte den richtigen“„Man sollte uns nicht nach den Normen und Werten von anderen beurteilen“

DSCHIDDA taz ■ Fatina ist vor zwei Jahren aus London in ihre Heimat zurückgekehrt. Seither hat sich im Leben der 30-Jährigen wenig bewegt. Vergeblich hat die in Mailand als Modedesignerin ausgebildete Saudi-Araberin in der London eine Arbeit gesucht. Nach eine Reihe von Gelegenheitsjobs kam sie zurück nach Dschidda und schlägt sich seither mit kleinen Aufträgen durch. Es könnte so weitergehen, wäre nicht der Druck der Familie, den richtigen Partner zu finden. Fatina sagt, sie habe gelernt, damit umzugehen. „Ich würde auch gerne einen passenden Partner finden, aber bitte den richtigen“, betont sie.

Viele Mädchen und junge Frauen stehen unter dem gesellschaftlichen Druck, zu heiraten – der sozialen Anerkennung wegen. Außerhalb der akzeptierten Normen zu leben, bedeutet Isolierung. Das ist in einem Land mit wenigen Abwechslungsmöglichkeiten schwer zu ertragen. Deshalb betrachten viele junge Mädchen die Ehe als einen wesentlichen Teil ihres Lebens.

„Ich bin hin und her gerissen. Einerseits möchte ich mein Leben noch genießen und nicht unbedingt jetzt schon heiraten. Anderseits sind alle meine Freundinnen verheiratet und ich bin eine der wenigen ohne Mann“, beklagt sich die 22-jährige Studentin Lulwa. Andere wie die gleichaltrige Schahad betrachten die Ehe als ein Muss. Sie hat sich den gesellschaftlichen Normen gebeugt und bekam ihr erstes Kind knapp ein Jahr nach der Hochzeit. Den anstrengenden Alltag steckt sie locker weg: Kind, Mann, Studium, Familie, Freunde. Ein Alltag, der freilich durch die üblichen Hausangestellten erleichtert wird. Für die meisten ist das nichts Besonderes. „Das macht doch jeder so, oder?“, fragt die 24-jährige Sufana, eine begabte Chemiestudentin mit einer zweijährigen Tochter, die allen ihren gesellschaftlichen Pflichten erfolgreich nachkommt.

Doch andere fügen sich nicht oder haben weniger Glück und noch nicht den richtigen Partner gefunden. Aber auch solche Frauen finden meistens ihren Weg. „Heiraten bedeutet mir nicht alles“, versichert die 30-jährige Sozialarbeiterin Arwa. „Es wäre schön, aber ich glaube, das Leben hat auch andere Seiten, die man genießen kann.“

Gefragt sind mehr Abwechslungsmöglichkeiten in der Freizeit. Neben Einkaufen und Essengehen bieten sich nur noch Ereignisse wie Hochzeiten oder Besuche an. Da wird selbst Autofahren zu einer Form der Freizeitgestaltung. In Saudi-Arabien dürfen Frauen keinen Führerschein machen und müssen Fahrer anstellen. Aber auch hier unterscheiden sich die Meinungen. „Mir ist Autofahren egal, aber bessere öffentliche Transportmittel wären etwas Schönes“, sagt die 33-jährige Dania. Andere halten den eigenen Führerschein für einen wichtigen Schritt im Prozess der Befreiung der Frauen.

Die beschränkten Möglichkeiten und Rechte der Frauen werden dabei weniger von der Religion bestimmt, sondern vielmehr von den Traditionen. Frauen in Saudi-Arabien hatten es nie nötig, sich zu behaupten oder sich beweisen zu müssen. Jetzt aber, mit einem Bevölkerungswachstum von 3,3 Prozent pro Jahr, wächst auch zunehmend die Verantwortung der Regierung, Lösungen für die Probleme zu finden, die durch dieses Wachstum entstehen. Junge Frauen sind sich dessen bewusst und steuern ihren Teil bei. 35 Prozent der Unternehmen in Saudi-Arabien gehören Frauen. „Alle Bekannte versuchen mehr und mehr, ihre Freizeit vernünftig zu gestalten“, sagt die Modedesignerin Fatina, „es geht nicht um finanziellen Druck, sondern darum, mehr Sinn in unser eintöniges Leben zu bringen.“

An Kreativität mangelt es den Frauen dabei nicht. Ob als „Wedding Planner“ – nach dem Film –, als Webdesignerin, oder ob aus dem Hobby, Kekse zu backen, ein Geschäft entsteht – Ideenreichtum existiert und wird umgesetzt. Mit der Zeit, so glauben manche, werden sich die Verhältnisse ändern. Das Leben der Frauen in Saudi-Arabien mag in den Augen von westlichen Beobachtern schwierig und langweilig sein. In den Augen mancher Saudi-Araberinnen ist es das auch. Aber Reformen finden statt, wenn auch nur sehr langsam. „Aber bitte, lasst uns unseren eigenen Weg gehen, auf unsere eigene Art, in unserem eigenen Tempo. Man sollte uns nicht nach den Normen und Werten von anderen beurteilen. Wir haben unsere eigenen“, betonte Salwa al-Hazza, Chefin der Orthophädie im König-Faisal-Krankenhaus in Riad, im vergangenen Jahr auf einem Treffen der „Arab Tought Foundation“ in Washington. REEM YESSIN