„Schleimer“ ohne Pressefreiheit

Oberlandesgericht verurteilt Chefredakteur eines Anzeigenblatts, weil er über CDU-Ratsherr Herzog: Das Wort „Schleimer“ fällt nicht unter die Meinungsfreiheit

Celle taz ■ „Schleimer“ kann teuer werden. Das Oberlandesgericht Celle hat den Chefredakteur einer Garbsener Wochenzeitung für schuldig befunden, weil er im Juli 2002 in einem Artikel den CDU-Ratsherr und stellvertretenden Bürgermeister der Stadt Garbsen in Überschrift und Text mit diesem Begriff bezeichnet hatte. Im Anzeigenblatt „Umschau“ hatte sich der Verfasser damals darüber geärgert, dass der CDU-Mann die Zusammenarbeit mit der lokalen SPD öffentlich gelobt hatte. Der nicht als Kommentar gekennzeichnete Artikel beginnt mit den Worten: „Der schlechte Ruf der Politik ist hart erarbeitet, der kommt nicht irgendwoher“.

Der als Nebenkläger aufgetretene Ratsherr hatte zunächst vergeblich versucht, eine Unterlassungs- und Widerrufsverfügung zu erwirken. Das Landgericht Hannover hatte dies mit der Begründung abgelehnt, im Vordergrund habe die Auseinandersetzung in der Sache gestanden, der Kommentar sei also durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Ein Amtsgericht verurteilte den Journalisten dagegen wegen Beleidigung zu 40 Tagessätzen à 250 Euro. Auf die Berufung des Angeklagten hin hatte das Landgericht Hannover im Januar diesen Jahres das Urteil aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen.

Bei der Revision stellte der Strafsenat des OLG Celle nun den ursprünglichen Schuldspruch wieder her. Der Begriff „Schleimer“ stelle „eine Formalbeleidigung“ dar, die nicht durch die Pressefreiheit gerechtfertigt sei. Der Angeklagte habe als erfahrener Journalist genau gewusst, was er schreibe. Ihm sei es „vorrangig um die Verächtlich-Machung“ des Stadtrats gegangen, nicht um eine Kritik an der Zusammenarbeit der Parteien im Garbsener Stadtrat, urteilte das Gericht. ksc