Ein leerer Stuhl am runden Tisch

Bewohner von Wagenburgen und Hausprojekten versuchen bei gemeinsamen Treffen mit Politikern über ihre Lage zu verhandeln. Der einzige Senatsvertreter will nun nicht mehr mitreden. Er fühlt sich durch einen Aufkleber bedroht

Das Interesse des Senats an Gesprächen mit Anhängern alternativer Wohnprojekte scheint zu schwinden. Zu einem runden Tisch, an dem sich Bezirkspolitiker und Senatsverwaltung mit Vertretern des Projekt- und Initiativenrats (PiRats) in regelmäßigen Abständen treffen, schickte der Senat gestern im Abgeordnetenhaus gerade einmal eine Person. Das war Ralf Hirsch von der Senatsbauverwaltung. Und der verließ die verdutzte Gesprächsrunde nach ein paar Minuten auch schon wieder.

Seit etwas mehr als zwei Jahren lädt der PDS-Bezirkschef von Friedrichshain-Kreuzberg, Steffen Zillich, Bezirks- und Landespolitiker ein, damit sie mit Vertretern von PiRat über deren Wohnsituation reden und über Probleme, die im Weiteren damit zu tun haben. PiRat ist ein Zusammenschluss von Bewohnern alternativer Hausprojekte und Wagenburgen.

Und die Themenliste, die sie mit den Senatsvertretern besprechen wollten, war lang. Ging es doch um brachliegende Flächen, die den Wagenburgbewohnern seit Jahren verweigert werden. Um ein seit 15 Jahren bestehendes Hausprojekt in der Yorckstraße, dessen Bewohner seit einigen Monaten im Auftrag des neuen Eigentümers vom Hausverwalter schikaniert werden. Umstritten ist auch ein seit zehn Jahren leer stehender Schlachthof in der Landsberger Allee, den Künstler und sozial Engagierte gern „soziokulturell zwischengenutzt“ hätten. Aber auch über die rot-rote Politik der Verdrängung „unerwünschter Mitmenschen“, die mit der Einführung der Kiezpolizei einen neuen Höhepunkt erreicht hat, wollten die Wohnaktivisten diskutieren. So zumindest die Sichtweise der PiRat-Vertreter.

Doch zu einer Debatte mit dem Senatsvertreter kam es nicht. Gleich zu Beginn der Gesprächsrunde beschwerte sich Hirsch, dass Unbekannte einen Aufkleber an seinen Hauseingang geklebt hatten, auf dem „persönliche Beleidigungen“ abgedruckt waren. Er vermutet die Täter im Umfeld des PiRats. Dessen Vertreter beteuerten sogleich, dass sie mit einer solchen Aktion nichts zu tun haben, und distanzierten sich sogar. Für den beleidigten Hirsch genügte das nicht. Dies sei zwar kein offiziell verkündeter Bruch mit der Gesprächsrunde durch die Senatsverwaltung, zumindest er wolle sich aber nicht mehr länger um die Belange PiRats kümmern. Daraufhin verließ er die verdutzte Runde.

Hirsch habe schon zweimal angekündigt, sich nicht wieder auf Gespräche einzulassen, sagte eine Vertreterin: „Jetzt hat er einen Grund gefunden.“ In der Tat hatte Hirsch schon häufiger damit gedroht, das Handtuch zu werfen. Der um Konfliktschlichtung sichtlich bemühte Steffen Zillich riet jedoch davon ab, den Abgang Hirschs überzubewerten. Er wolle sich stattdessen darum bemühen, dass beim nächsten Mal alle Beteiligten wieder an einem Tisch sitzen. FELIX LEE