BEIM EMISSIONSHANDEL GEFÄHRDET DIE EU IHRE GLAUBWÜRDIGKEIT
: Von Zertifikaten überschwemmt

Wer erwartet hatte, die EU-Kommission würde sich für einen wirksamen Emissionshandel stark machen, wurde gestern bitter enttäuscht. Mit lächerlich geringen Änderungen winkten die Brüsseler Kommissare die ersten acht nationalen Pläne zum Klimahandel durch, darunter auch den aus Berlin. Weder wurden die zum Teil absurden kohlefreundlichen Regelungen des deutschen Plans abgelehnt noch die teilweise unverschämten Mengen an Emissionsrechten, die Länder wie Österreich an ihre Industrie verteilen.

Nun droht, wovor Ökonomen und Klimaschützer seit langem warnen: Am Ende könnten so viele Verschmutzungsrechte den neu geschaffenen Emissionshandel überschwemmen, dass zwar viele Unternehmen gern ihre Rechte verhökern würden, sich aber keine Fabrik findet, die tatsächlich noch Verschmutzungsrechte braucht. Doch nur wenn weniger Verschmutzungsrechte als benötigt auf dem Markt kursieren, entsteht überhaupt ein Anreiz für irgendeine Firma, etwas für den Klimaschutz zu tun.

Nur bei ganz offensichtlichen Verstößen gegen die zugrunde liegende Richtlinie intervenierte die Kommission. Der Grund für diese halbherzige Haltung: Zwei der alten Mitgliedstaaten, Griechenland und Italien, haben noch nicht einmal Zuteilungspläne vorgelegt. Die Kommission bangte bereits darum, ob sie 2005 tatsächlich mit dem Emissionshandel starten könnte. Auch der selbst ernannte Klimavorreiter Deutschland nutzte die Tatsache schamlos aus, dass hierzulande der Löwenanteil der industriellen Emissionen der EU entsteht, ein Start ohne Deutschland also recht sinnlos ist – und ließ die Kommission mit ihren Änderungswünschen weitgehend abblitzen.

Von Anfang an litt der Emissionshandel unter einem Geburtsfehler: Obwohl der Handel europaweit erfolgen soll, wurden die Regeln nicht in Brüssel, sondern in den Mitgliedsländern erstellt. Die Briten, wie stets skeptisch gegenüber Brüsseler Harmonisierungsbestrebungen, hatten ein einheitliches Vorgehen blockiert. Kein Wunder also, dass die meisten Mitgliedstaaten die Regeln für die Austeilung der Emissionsrechte an den Bedürfnissen ihrer nationalen Industrien ausrichteten.

Man kann nur hoffen, dass die EU-Kommission nach der ersten Handelsperiode 2005 bis 2007 einheitliche Regeln durchsetzen wird. Dann hätte man auch genug Erfahrungen gesammelt und wüsste, welche Regeln am besten funktionieren und was der Industrie wirklich zuzumuten ist. Schließlich steht mit dem Gelingen des Emissionshandels nicht weniger auf dem Spiel als die Glaubwürdigkeit der EU, tatsächlich Vorreiter im Klimaschutz zu sein. MATTHIAS URBACH