„Es geht um rein egoistische Interessen“

Michael Cramer, grüner Verkehrsexperte, findet die Leipziger Vorschläge für eine Flughafen-Achse Tegel–Halle/Leipzig absurd. Stattdessen fordert er – trotz aller Pleiten – weiter den forcierten Ausbauplan für den Single-Airport Schönefeld

taz: Herr Cramer, ist der Flughafen Halle/Leipzig eine Konkurrenz für die Berliner Airports?

Michael Cramer: Nein, auch wenn das in der Vergangenheit immer wieder behauptet wurde. Offensichtlich stellt Berlin für Leipzig eine Konkurrenz dar. Nur darum macht Herr Tiefensee den Vorschlag, auf den Ausbau Schönefelds zugunsten von Leipzig zu verzichten.

Will Leipzigs OB Tiefensee mit seiner Idee zusätzlich für Olympia 2012 punkten?

Möglich. Bei der Zuständigkeit für die Verkehrsinfrastruktur handelt es sich um keine europäische oder nationale Angelegenheit, sondern um die Sache der zuständigen Bundesländer. Es geht also um rein egoistische Interessen Leipzigs.

Tiefensee hat aber auch von einer „Achse Tegel–Leipzig“ gesprochen. Wäre das nicht ein Modell für die Region?

In Berlin besteht eine intakte Infrastruktur im Flugverkehr – aber auf drei Flughäfen verteilt. Das ist teuer und muss gebündelt werden auf einen Single-Airport – aus ökonomischen, verkehrlichen sowie ökologischen Gründen. Das bedeutet nicht, dass kleinere Flughäfen in der Region wie Halle/Leipzig oder Hannover ihre Existenzberechtigung verlieren. Ein neuer Großverbund, bei dem auf die Schließung von Tegel verzichtet wird, liegt nicht im Interesse von Berlin.

Seit 10 Jahren jedoch wird in Berlin am Ausbau Schönefelds herumgemurkst. Ohne Erfolg. Wäre Tegel–Leipzig nicht ein Signal für die Wirtschaft?

Es ist unbestritten, dass die Flughafenplanung für Schönefeld eine Katastrophe ist. Warum aber ausgerechnet der Ausbau Leipzigs Einsparungen und Zeitgewinn bringen soll, ist für mich nicht nachvollziehbar. Meine Forderung bleibt: Das Planfeststellungsverfahren muss zügig zu Ende gebracht werden. Und danach muss schnell angefangen werden zu bauen.

Was bestärkt Sie eigentlich in dem Glauben an Schönefeld – ein Exempel mehr des Scheiterns von Berliner Großprojekten?

Schon mehr als eine halbe Milliarde Euro sind in das Projekt geflossen. Seit 10 Jahren wird daran geplant – übrigens ist das erst ein Drittel der benötigten Zeit von München-Erding. Es bleibt zudem notwendig, die drei Flughäfen zu bündeln. Im Vergleich zu London mit 130 Millionen Fluggästen pro Jahr auf fünf Flughäfen bräuchte Berlin nur einen halben Airport. Drei Flughäfen für 13 Millionen bereit zu halten, ist verrückt und hat mit seriöser Finanz- und Verkehrspolitik nichts zu tun – nicht nur im bankrotten Berlin.

Oberste Prämisse bleibt auch, die innerstädtischen Flughäfen zu schließen. Schon darum muss Schönefeld ausgebaut werden. Hätte das Land 1990 Tempelhof nicht reaktiviert, wäre viel Geld gespart worden. Selbst zwei Flughäfen lohnen sich nicht, dazu wohnen und arbeiten hier zu wenig Menschen.

Trotzdem: Wären Jüterbog oder Sperenberg wieder eine Option, wenn das Planfeststellverfahren 2004 scheitert?

Ich gehe davon aus, dass wir den Beschluss 2004 bekommen. An Spekulationen beteilige ich mich nicht.

INTERVIEW: ROLF LAUTENSCHLÄGER