CDU macht die Augen auf und sieht die PDS

Nach den Wahleinbußen in Sachsen und Thüringen erwägt die Union einen neuen Umgang mit den Sozialisten

DRESDEN taz ■ Nach der Wahl ist vor der Wahl. Ganz besonders in Sachsen, wo nach den Juniwahlen schon am 19. September die Landtagswahl ansteht. In der sächsischen Union hat Nachdenklichkeit eingesetzt. Nur 36 Prozent erreichte sie bei der Europawahl, bei den parallelen Kommunalwahlen verlor sie vor allem in den Städten. Auch in Thüringen macht sich die CDU wegen ungewohnter Verluste Gedanken, wie man PDS-Wähler für die Union gewinnen könnte.

Von einem „Dämpfer“ für die in Sachsen mit absoluter Mehrheit regierende CDU spricht Generalsekretär Hermann Winkler. Ähnlich wie die SPD habe man wahrscheinlich eine „Klatsche“ für die Politik der Bundespartei bekommen. „Wir müssen deshalb die Wähler ernst nehmen, die den etablierten Parteien nichts mehr zutrauen.“ Winkler hält zwar nichts von der Empfehlung des Dresdner Politikwissenschaftlers Werner Patzelt, doch Stimmen am rechten Rand zu fischen. Aber bei Themen wie der Inneren Sicherheit solle „klarer Kurs“ gefahren werden. „Viele Bürger wissen zum Beispiel nicht, dass das sächsische Polizeigesetz auch erlaubt, Geiselnehmer zu erschießen.“

Von einer Kurskorrektur gegenüber der PDS will Winkler nicht sprechen. Es bleibe bei der Ablehnung jeglicher Zusammenarbeit. Aber mit der Abstempelung der PDS als leibhaftiger Gottseibeiuns geht es allmählich zu Ende. Die CDU interessiert weniger die Partei als deren Wähler. Und ein bisschen deren erfolgreiche Strategie. „Wir müssen raus in den vorparlamentarischen Raum“, forderte Parteichef und Ministerpräsident Georg Milbradt nach den Juniwahlen. Die PDS bietet Basisgruppen und Bürgerinitiativen seit längerem ein Frustventil und eine Plattform, ob es nun um Jugendarbeit, Kommunalabgaben oder Schulschließungen geht.

In eine ähnliche Richtung geht die Gardinenpredigt, die der neue Thüringer CDU-Generalsekretär Mike Mohring an die Kommunalpolitiker seiner Partei richtete. Manche von ihnen stünden „nicht nahe genug am Leben“ und verfielen leicht der Selbstgefälligkeit. Die CDU hatte vor allem in großen Städten teils dramatisch an PDS und freie Wählervereinigungen verloren. Bei der Werbung um neues Vertrauen in die CDU setzt Mohring vor allem auf Personen und neue Gesichter, ob jung oder alt. Er selbst zählt erst 32 Jahre und zeigt noch weniger Berührungsängste gegenüber der PDS als sein sächsischer Generalskollege Winkler. Schnittpunkte mit der PDS seien durchaus möglich, wenn es vor allem darum gehe, „Thüringen voranzubringen“.

Erst das Land, dann die Parteien, so hörte man es sinngemäß auch von PDS-Frontmann Bodo Ramelow. Und so muss laut Mohring „die CDU nicht auf ein Wasser- und Abwassergesetz verzichten, nur weil die PDS das Problem ähnlich sieht“.

MICHAEL BARTSCH