notstandsgesetz im irak
: Erweiterte Macht, auf dem Papier

Die Stimmung in der irakischen Bevölkerung gibt dem neuen Ministerpräsidenten Ajad Allawi Recht. Die Menschen sind der ständigen Attentate vor allem auf irakische Einrichtungen, bei denen meist Iraker ums Leben kommen, müde. Sie fordern eine harte Hand, und Allawi hat diese Herausforderung offensichtlich mit seinem neuen Notstandsgesetz angenommen.

KOMMENTAR VON KARIM EL-GAWHARY

Erwägungen, ob der Ausnahmezustand nicht mit den Grundrechten kollidiert, die die Iraker erstmals vor wenigen Monaten in der Übergangsverfassung erhalten haben, spielen für die meisten Iraker keine Rolle. Die verkündeten Einschränkungen, laut denen das Notstandsgesetz nur lokal und zeitlich begrenzt Anwendung finden und stets unter Beobachtung der Ministerien für Justiz und Menschenrechte stehen soll, sind vor allem dazu gedacht, die internationale Gemeinschaft zu beruhigen.

Allawi weiß: Wenn er es nicht schafft, in den nächsten Monaten für Sicherheit zu sorgen und die irakische Straße zur Ruhe zu bringen, dann ist sein gegenwärtig relativ hoher Kredit bei der irakischen Bevölkerung schnell verspielt. Doch die Ausrufung der neuen Notstandsgesetze kann auch die gegenteilige Wirkung haben. Denn gemessen wird die neue irakische Regierung nicht an dem, was auf dem Papier steht, sondern daran, wie sich diese Maßnahmen tatsächlich durchsetzen lassen.

Mit schlecht ausgerüsteten und miserabel ausgebildeten irakischen Sicherheitskräften in zu geringer Zahl könnte sich Allawi schnell als ein Hund erweisen, der zwar laut bellen, aber nicht beißen kann. Da hilft es auch nicht, wenn das neue irakische Verteidigungsministerium verkündet, relativ qualifizierte Sicherheitskräfte zu besitzen, die die Lage hoffentlich in Griff bekommen werden. Fehlen die Instrumente, um es durchzusetzen, wird ein Notstandsgesetz schnell seine Wirkung verlieren und ins Gegenteil umschlagen. Statt Stärke zu beweisen, hätte Allawi dann aller Welt seine Schwäche demonstriert.

Natürlich könnte er jederzeit die Hilfe der neuen US-Botschaft in Bagdad und der 130.000 verbliebenen US-Soldaten anfordern. Das US-Oberkommando hat bereits erklärt, auf Anfrage bereitzustehen, falls es notwendig werden sollte. Allawis Problem dabei: Ein Hilferuf an die Besatzer von gestern würde den angeblich souveränen Regierungschef in den Augen der eigenen Bevölkerung gar nicht gut aussehen lassen.

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