GEMEINDEFINANZEN: EINE RICHTIGE REFORM SIEHT ANDERS AUS
: Minimale Fortschritte

Stellen Sie sich vor, Sie besitzen eine Firma und ein wichtiger Kunde kündigt einen großen Auftrag. Zwei Jahre später kommt er zu Ihnen und bietet Ihnen doch wieder einen Vertrag an – allerdings mit etwas niedrigerem Volumen. Hat sich Ihre Geschäftslage jetzt verbessert? So ähnlich ist es mit der Bundesregierung und den Städten. Erst kommt Rot-Grün 1999 mit einer Neuregelung der Unternehmenssteuer, die auch die Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen drückt, jetzt gibt der Bund sich honorig und macht einen Teil der Ausfälle wieder wett. Verdient das den Namen „Gemeindefinanzreform“?

Den Städten und Gemeinden fehlen nach eigenen Angaben rund 6,5 Milliarden Euro pro Jahr. Mit der vorgezogenen Steuersenkung am 1. Januar kommen noch ein paar Milliarden Defizit dazu. Deshalb lautete die Ansage von Rot-Grün, die Finanzen der Gemeinden mit der Reform zu stabilisieren. Denn alle wissen: Die Lebensqualität hängt weitgehend von der städtischen Infrastruktur mit ihren Bädern, Theatern und Sozialeinrichtungen ab. Und ohne kommunale Investitionen kann man den Aufschwung vergessen. Trotzdem bekommen die Städte jetzt nur die Hälfte ihres eigentlichen Finanzbedarfes zur Verfügung gestellt – etwa fünf Milliarden Euro. Auch deshalb gehört viel guter Wille dazu, die muntere Folge von Einschnitten in die kommunalen Finanzen und ihre nachträgliche Verbesserung als „Reform“ zu bezeichnen.

Das ändert nichts daran, dass einige Aspekte durchaus fortschrittlich sind. Freiberuflich tätige Anwälte und Ärzte werden in Zukunft Gewerbesteuer zahlen – und damit zur Finanzierung von Straßen und Schulen, die auch sie nutzen, genauso beitragen wie gewerbliche Firmen. Außerdem soll es für Unternehmen weniger Möglichkeiten geben, erzielte Gewinne an der Steuer vorbeizubugsieren. Freilich sind das bisher nur Pläne von Rot-Grün. Was die Union, die im Bundesrat zustimmen muss, davon übrig lässt, wird man sehen. Auch eine wohl begründbare und maßvolle Umverteilung zulasten der Wirtschaft ist zurzeit kaum machbar. Dieser missliche Zustand wird sich wohl bis zum Ende der Legislaturperiode nicht mehr ändern. HANNES KOCH